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Ganz schön spanisch – Rum und Honig Rum.

Rum – wer hat’s erfunden?

Rum pur oder als Element von Cocktails.

Rum pur oder als Element von Cocktails.

Wie bei allen kulinarischen Dauerbrennern, die die Jahrhunderte fast unverändert überlebten, reklamieren Einige die „wahren Erfinder“ zu sein. Ist für Italiener ganz klar, dass sie die Pasta erfunden haben, können Chinesen darüber nur lachen. Sie sind fest überzeugt, die Nudel erfunden zu haben.

Beim Rum wären gerne Briten die Erfinder. Bei britischen Seeleuten war und ist es das Traditionsgetränk. Jedem Seemann der Royal Navy stand täglich eine Ration Rum zu, die recht stattlich war. Erst 1970 wurde diese Tradition von den Briten abgeschafft. Die Bezeichnung Rum soll angeblich vom englischen Wort „Rumbullion“ kommen. Könnte sein. Briten kürzen gerne ab. „Rumbullion“ – früher einmal britischer Slang und heute nicht mehr verwendet, nahe am Wort “to rumble”, also grölen, poltern, rumoren u.ä.  Bereits Mitte der 1660iger Jahre kursierte aber auch bereits das katalanische Wort „Ron“ im allgemeinen Sprachgebrauch der Spanier für das Destillat. Und da Spanier Fremdwörter immer schon als astreine Lautschrift in ihre Sprache brachten, so sie das Wort nicht übersetzen können, siehe “Güisqui” für Whiskey, scheint „Rumbullion“ schon sehr fragwürdig. Die wahre Bedeutung wird sich wohl nicht mehr wirklich ermitteln lassen. Das Rum von „Rumbullion“ kommt ist wenig glaubwürdig.

Tatsache ist, dass Arbeiter und Sklaven auf den Plantagen von Kuba und Jamaica, als diese noch fest in spanischer Hand waren, aus den damals nicht verwerteten Abfallprodukten Melasse, den Resten der ausgepressten Zuckerrohre und Wasser einen Schnaps brannten, um ihr höllisches Leben einwenig erträglicher zu machen. Der Alkoholgehalt war, wie das bei Rum aus Melasse der Fall ist, extrem hoch und so wurde er als “feurig, höllisch und heiss” beschrieben. Wie die Arbeiter und Sklaven ihn nannten ist nicht überliefert, aber Rum in seiner Urform ist wohl eine Erfindung kanarischer, karibischer und afrikanischer Plantagenarbeiter, die sich auf den Feldern im wahrsten Sinne des Wortes zu Tode arbeiteten.

Wie dem auch sei, über all das lässt sich diskutieren, nur über zwei wesentliche Dinge der Rum Produktion nicht: Dem Zuckerrohr und der alkoholischen Destillation und Mazeration. Alles von Spaniern zwar nicht erfunden aber in Europa und der neuen Welt erstmalig eingeführt.

Ohne Melasse aus der Zuckerrohr Produktion kein klassischer Rum.

Zuckerrohr ähnlich dem Bambus eine asiatische Pflanze aus der Familie der Gräser.

Zuckerrohr ähnlich dem Bambus eine asiatische Pflanze aus der Familie der Gräser.

Rum wird aus der Melasse, die bei der Zucker Erzeugung aus Zuckerrohr als „Abfallprodukt“ entsteht, destilliert. Ein weit verbreiteter Irrtum ist, dass Zuckerrohr in der Karibik heimisch ist. Rum und Zuckerrohr wird untrennbar mit der Karibik in Verbindung gebracht.

Zuckerrohr ist jedoch, wie Bambus, eine asiatische Pflanze aus der Familie der Gräser und wurde wohl als erste Cash Crop der Menschheit von den spanischen Eroberern in der Karibik kultiviert. Pflegten die Ureinwohner Kubas eine sehr breite Landwirtschaft, mit der sie sich autark ernähren konnten, verwüsteten die neuen Herren die Landschaft mit Monokulturen, dem Zuckerrohr, das Gold des 16. und 17. Jahrhunderts. Ganz Europa befand sich in einem Zuckerrausch.

Die Wiege des spanischen, europäischen, karibischen und amerikanischen Zuckerrohrs liegt jedoch auf Gran Canaria. Gleich nach der erfolgreichen Eroberung der Insel wurde Alonso Fernández de Lugo 1483 von den Katholischen Königen das Valle de Agaete übertragen. Er errichtete dort die erste Zuckerrohrplantage und Zuckerrohrfabrik der Kanaren und Spaniens. Damit Zuckerrohr optimal gedeiht, benötigt es Tagestemperaturen zwischen 25 und 30 Grad, genau jene Temperatur, die auf dem kanarischen Archipel das ganze Jahr über in den Niederungen herrscht.

Zuckerrohr Melasse – lakritzeartiger Geschmack und nicht mit Sirup aus der Zuckerrübe zu verwechseln.

Zuckerrohr Melasse – lakritzeartiger Geschmack und nicht mit Sirup aus der Zuckerrübe zu verwechseln.

Verschifft wurde das Zucker aus dem Hafen Agaetes, Puerto de las Nieves, der den Eroberern als erster Stützpunkt diente. Auch Christoph Kolumbus nutze den Hafen als letzte Station vor seinen Atlantik Überquerungen. Er stach von Puerto de las Nieves auf seiner ersten, zweiten und vierten Reise in die neue Welt Richtung Kuba in See (08.09.1492, 02.10.1493, 24.05.1502).

Und so fand auch die Zuckerrohr Pflanze für den Rum 1523 über Puerto de las Nieves auf Gran Canaria ihren Weg nach Kuba. 1603 ging die erste grosse Zuckerrohr Plantage auf Kuba in Betrieb. Plantagen wurden oft von Kanaren aufgebaut und bewirtschaftet, die bereits grosse Erfahrung mit der Pflanze hatten. Viele der Kanarios waren aber keinesfalls freiwillig auf Kuba oder Jamaica. Sie wurden wie afrikanische Sklaven familienweise deportiert. Da Sevilla und Cadiz das Handelsmonopol mit Neuspanien hatte, mussten die Kanaren, pro eintausend Tonnen in die Neue Welt verschiffter Güter, eine Familie als Arbeitskräfte nach Neuspanien deportieren. Das war der sogenannten Blutzoll, Tributo de sangre. Soldaten tauchten bei den betroffenen Familien unangekündigt auf, denen man eine Stunde Zeit gab die wenigen Habseligkeiten die sie besassen zu packen und wurden dann ohne genaue Kenntnis des Ziels verschifft.

Heutzutage leidet die kubanische Wirtschaft unter den riesigen Zuckerrohr Monokulturen. Wer das koloniale Zentrum der Zuckerrohr Produktion auf Kuba Trinidad besucht, bekommt noch heute einen Eindruck von dem unglaublichen Vermögen, das die Zuckerrohr Plantagen brachte und welcher atemberaubende und dekadente Lebensstil fern Europas möglich war.

Die alkoholische Destillation und die Mazeration.

Honig Rum aus dem kanarischen Alltag nicht wegzudenken.

Honig Rum aus dem kanarischen Alltag nicht wegzudenken.

Und wieder waren es die Spanier, die die Grundvoraussetzung für die Erzeugung von Rum und Honig Rum nach Europa brachten: Die alkoholische Destillation und die „Mazeration“.

Der berühmte katalanische Arzt Arnaldo de Villanova (1235 bei Valencia – † 6. September 1311 Ligurisches Meer), Leibarzt der Könige von Aragon, dem auch die Tür des Papstes offen stand, erlernte, wahrscheinlich aus seinen Übersetzungen des persischen Arztes Ibn Sina aus dem Arabischen, die alkoholische Destillation. Sie war bisher in Europa unbekannt. Er nutzte die universelle Wirkung des Alkohols, das er auch Lebenswasser nannte. Villanova legte Kräuter und Wurzeln in Alkohol ein, um ihnen die Wirkstoffe zu entziehen und sie so hoch konzentriert gebunden im Alkohol als wirkungsvolle Medizin einsetzen zu können. Diesen Prozess der Mazeration erfand er nicht, doch durch seine Sprachkenntnisse und sein Studium brachte er persisches Wissen nach Europa.

Selbiges Prinzip wird beim Herstellen von Likören verwendet. Bis in die Neuzeit hinein hatten Liköre medizinische Bedeutung und wurden ausschliesslich von Apothekern und Ärzten als Heilmittel hergestellt. Nach dem klassischen Prinzip der Mazeration, wird auch der kanarische Honig Rum erzeugt, ein Likör mit rund 20% Volumsalkohol.

Rum Erzeugung.

Zuckerrohr – an den Verdickungen bildet sich bis zu 17% Zucker.

Zuckerrohr – an den Verdickungen bildet sich bis zu 17% Zucker.

Die klassische Methode Rum zu Erzeugen, ist die Destillation einer fermentierten und vergorenen Maische aus Melasse, gehäckseltem Zuckerrohr, Zuckerrohr Saft und Wasser. Daraus entsteht der ca. 5% alkoholhaltige Zuckerwein, der nach dem Destillieren zu Rum bis 75% Alkohol enthalten kann. Danach wird der Rum unter die zulässige Marke von 49% Volumsprozent Alkohol mit destilliertem Wasser verdünnt und lagert zur Abrundung des Geschmacks rund ein Jahr in Stahlfässern. Der weisse Rum, der sehr süsslich ist und hauptsächlich für Cocktails verwendet wird, ist trinkfertig. Wie auch bei der Schnapsproduktion, liegt die grosse Kunst hervorragenden Rum zu erzeugen in den erstklassigen Zusatzstoffen und dem grossen Können eine ausgezeichnete Maische anzusetzen. Hier hat jeder Brennmeister sein Geheimnis, das er streng hütet.

Um den braunen Rum zu erzeugen, der pur genossen wird, wird das fertige Destillat mindestens 7 Jahre, für absolute Top-Qualitäten 30 Jahre, in gebrauchten Eichenfässern gelagert, die aus der Whiskey-Produktion stammen. Es müssen gekonnt die richtigen Fässer ausgesucht werden, denn die Holzplanken übertragen beim Reifeprozess die Aromen und die braune Farbe in den Rum.

Aus den Zuckerrohren frisch ausgepresster Zuckerrohrsaft.

Aus den Zuckerrohren frisch ausgepresster Zuckerrohrsaft.

Anders hingegen wird der brasilianische Rum erzeugt. Er wird ohne Melasse direkt aus Zuckerrohr Saft gewonnen und ist als Cachaça bekannt, der durch das frischere und leichtere Aroma mit dem Caipirinia seine weltweite Verbreitung antrat.

Honig Rum – Ron miel: Kanarische Spezialität.

Ron Miel, Honig Rum wird gerne zur Geschmacksverstärkung durch eine Sahnehaube getrunken.

Ron Miel, Honig Rum wird gerne zur Geschmacksverstärkung durch eine Sahnehaube getrunken.

Rum ist auf den kanarischen Inseln nicht wegzudenken. Er ist allgegenwärtig. Der Konsum ist so hoch, dass Rum-Destillat aus Brasilien importiert werden muss und auf den Kanaren zum trinkfertigen Rum veredelt wird.

Im ländlichen Bereich kann der Rum Konsum schon am Morgen mit einem „Carajillo“ im Stamm-Café vor der Arbeit beginnen, Espresso mit Rum oder Honig Rum. Die Tradition kommt aus den spanischen Kolonialzeiten, in denen Soldaten entdeckten, dass Café mit Rum eine stark aufputschende und Mut bringende Wirkung hat. Bei Fiestas oder gemeinschaftlichen, sozialen Tätigkeiten ist es üblich, dass eine Flasche Rum mitgebracht wird, die dann die Runde macht. Nachgespült wird mit einem eiskalten „Caña“, einem kleinen Bier.

Eine wahre Delikatesse ist der Honig Rum, eigentlich ein Likör von höchster Qualität und als Digestif, als Genussmittel, dass wie ein Stück Schokolade konsumiert wird, sehr beliebt.

Zur Erzeugung von Ron Miel wird siebenjähriger, in Eichenfässern gereifter brauner Rum, verwendet, der als Likör mit echtem Bienenhonig angesetzt wird, mazeriert wird. Dem Honig werden so seine Inhaltsstoffe entzogen und im Rum konzentriert. Nach ein, zwei weiteren Destillations-Schritten ist der Honig Rum als goldbrauner edler Likör trinkfertig. Er besticht durch einen seidig weichen Abgang und eine ganz besondere Geschmacksnote. Am besten wird er um die 8 Grad getrunken. Üblich ist auch eine lauwarme Sahnehaube, durch die der kalte Honig Rum getrunken wird. Das Fett in der Sahne fungiert als zusätzlicher Geschmacksträger und macht den Genuss noch intensiver. Einen besonders exotischen Geschmack bekommt der Ron Miel auch mit einer Zimtstange und einem Stück Zitronenschale.

Arehucas – die grösste und älteste Rum Destillerie Europas.

Der braune Rum erhält seine Farbe und Aroma durch Lagerung in alten Eichenfässern, in denen bereits Whiskey reifte.

Der braune Rum erhält seine Farbe und Aroma durch Lagerung in alten Eichenfässern, in denen bereits Whiskey reifte.

1483 begannt auf Gran Canaria, im Valle de Agaete, der atemberaubende wirtschaftliche Erfolg der kolonialen spanischen Zucker Produktion, dem weissen Gold. Ganz Europa war verrückt nach Zucker, ein Lebensmittel, das bisher nur den Reichen vorbehalten war. Die Süsswarenproduktion begann zu florieren, die Rum Produktion und mehr. Unglaubliche Vermögen wurden gemacht, nicht nur in der Karibik, auch auf Teneriffa und Gran Canaria. Vermögen, die bis heute nachwirken und das Fundament einiger der vermögendsten spanischen Familien darstellen.

Unweit des Valle de Agaete liegt das kleine Städtchen Aruca, mit seiner irgendwie viel zu gross geratenen monumentalen, bedrohlich schwarzen Kirche am Fusse des Montaña de Arucas. Der Montaña de Arucas ist ein Vulkangel, der kurzer Hand zugeschüttet wurde, um auf dem 400 m hohen Plateau einen Aussichtspunkt zu errichten. Von ihm hat der Besucher einen phänomenalen Ausblick auf den Playa de las Canteras, den Stadtstrand von Las Palmas.

Honig Rum als meist ungekanntes, exotisches Getränk als Mitbringsel sehr beliebt.

Honig Rum als meist ungekanntes, exotisches Getränk als Mitbringsel sehr beliebt.

In Aruca ist auch „La Fábrica“, wie die Destillerie Arehucas bei Einheimischen seit eh und je heisst, zu Hause. Die grösste und älteste Rum Destillerie Europas, wohl auch eine der Besten weltweit. Don Alfonso Gourié Álvarez gründete 1884 den Betrieb „Fabricá de San Pedro“, der sich hauptsächlich der Zuckerproduktion widmete. Verarbeitet wurde Zuckerrohr aus dem Valle de Agaete. Durch die bei der Produktion des Zuckers anfallenden Melasse, ging jedoch Zuckerproduktion und Rum Destillation immer Hand in Hand. Der produzierte Rum war von derartiger Qualität, das er sofort überaus begehrt wurde und sich das Unternehmen gänzlich der Rum Produktion zuwandte. Schon 8 Jahre, nachdem der Betrieb seine Tore geöffnet hatte, ernannte Königin María Cristina de Austria Arehucas, die Fabricá de San Pedro, 1892 zum spanischen Hoflieferanten.

Mit äußerster Konsequenz wurde die Qualität des Rums durch neue Verfahren weiter entwickelt und die Produktpalette erweitert. Ob 30 Jahre im Eichenfass gelagerter Rum oder exquisiter Honig Rum – die Produkte der Destillerie Arehucas sind weltweit bekannt und prämiert. Jährlich werden 54.000 Liter Rum exportiert, auch nach China.

Wer Gran Canaria besucht, sollte nicht verabsäumen, diesen schönen, historischen Betrieb zu besichtigen, sich in die Geheimnisse der Rum Produktion und der verschiedensten Sorten einweihen zu lassen. Arucas liegt kaum 15 Minuten Fahrt mit dem Auto von Las Palmas entfernt. Wer nach der Führung ausgiebig an der Degustation der verschiedenen Sorten teilnehmen möchte, sollte Arucas bequem, preiswert und schnell mit der Buslinie 105 erreichen, die von der Busstation San Telmo in Las Palmas startet.

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