Museu del Ferrocarril de Catalunya – la historia en breve.
Vilanova i la Geltrú ist die Hauptstadt der comarca Garraf und liegt ziemlich genau zwischen Barcelona und Tarragona. Sie ist Teil der Provinz Barcelona und der autonomen Gemeinschaft Kataloniens. Comarca, Provinz, Region und mehr, die Verwaltung Spaniens ist eine komplexe Angelegenheit. Villanueva y Geltrú, auf Castellano, hat gerade einmal 70 tsd. Einwohner, erhielt bereits 1274 von König Jaum I das Stadtrecht. Die Blütezeit kam erst im 18. Jhd., als Carlos segundo der Stadt den Amerikahandel zugestand, ein ewiger Streitgegenstand zwischen Kastilien und Katalonien. Der Hafen prosperierte, Kultur und lokale Wirtschaft ebenso. Noch heute ist die kleine Stadt dritt bedeutendster Hafen Kataloniens. Darüber hinaus liegt in Vilanova i la Geltrú das sehenswerte Museu del Ferrocarril de Catalunya, das Eisenbahnmuseum von Katalonien. Reisende, die sich für Technologie und die Entwicklung des modernen Reisens interessieren, sollten das Museum erlebt haben.
Das Museum selbst ist kein Kunstbau, sondern Teil der Ausstellung selbst, ein Ringlokschuppen, also ein Lokschuppen mit grosser Wendeplatte, auf denen Dampfloks in Fahrtrichtung ausgerichtet wurden. Dazu alle Bauten, die seinerzeit benötigt wurden, wie Wasserturm oder Werkstätten und das alles noch teilweise in Betrieb, denn mit den historischen Loks werden zu besonderen Anlässen Ausfahrten unternommen. 1990 wurde das Museum eröffnet, davor waren bis zu 900 Arbeiter auf dem Betriebsgelände beschäftigt.
Das Museu del Ferrocarril de Catalunya zählt 60, teils fahrbereite Loks, zu seiner Sammlung, davon 26 bemerkenswerte historische Dampfloks aus dem 19. und 20. Jhd. Alle Loks waren auf der iberischen Halbinsel im Einsatz. Produziert wurden sie in den USA, Grossbritannien, der Schweiz, Deutschland, wenige in Spanien. Der Stolz der Sammlung ist die älteste erhaltene Lok der iberischen Halbinsel, die „Martorell“ aus dem Jahre 1854, gefertigt von Sharp & Stewart Manchester, sowie eine Replik der „Mataró“, der ersten Lok der iberischen Halbinsel aus dem Jahr 1848.
Die Replik wurde zum hundert Jahr Jubiläum der Küstenlinie Barcelona – Vilanova i la Geltrú angefertigt und absolvierte die Strecke am Jubiläumstag des Jahres 1982 unter Dampf. Erstaunlich ist ihre Geschwindigkeit. Die Replik wenigstens erreicht eine Spitze von ca. 100 Km/h. Auf der Strecke Barcelona – Vilanova i la Geltrú verkehrt sie nicht mehr. Wer aber am ersten Sonntag eines Monats in der Gegend ist, sollte das Museum aufsuchen, denn dann wird die „Mataró“ unter Dampf gesetzt, die historischen Wagons, die sehr an Pferdekutschen erinnern, angehängt und dann dreht sie eine Runde am Betriebsgelände.
RENFE – das Spurweiten Chaos der Peninsula.
Spanien wird von einer Vielfalt an unterschiedlichsten Kulturen, die sich in eigenständigen Sprachen manifestieren, geprägt. Kastilisch, Katalanisch und Baskisch sind noch bekannt, weniger beispielsweise Aragonesisch, Asturleonesisch oder Galicisch. Das ist aber noch nicht alles, so wird in Valencia darauf gepocht, dass Valencianisch eine eigenständige Sprache sei. Sprachwissenschaftler meinen, es wäre nur ein Variante des Katalanisch. Das ist den Valencianos egal. Sie haben es zur Amtssprache neben Kastilisch erklärt. Auch bei den Spurweiten der Bahnstrecken vertrat jede Provinz eine andere Meinung, was denn die geeignete wäre. Das kann Sinn machen, denn in bergigen, kurvenreichen Streckenführung ist eine Schmalspur geeignet, in weiten Ebene, eine Breitspur. Aus diesem Grund war bis zum Ende des spanischen Bürgerkriegs von Schmalspur, über die Regelspur, die von den Briten in der Cuenca Minera eingesetzt wurde, bis zur Breitspur, alles vertreten. Verkehrstechnisch, so nicht nur provinziell gedacht wird, macht das keinen Sinn.
Das Museu del Ferrocarril gibt im Freigelände einen anschaulichen Überblick über die Spurweiten. Die iberische Breitspur sticht besonders heraus. Sie misst exakt 1.668 mm. Der krumme Wert ergibt sich aus der nicht metrischen Basis von 4 Fuss und 21/32 Zoll. Nur die von Briten errichtete indische Breitspur, kann noch 8 mm nachlegen. Die Regelspur, auch Normal- oder Vollspur genannt, ist die Urspurweite und wird auch Stephenson-Spur bezeichnet. Sie misst 1.435 mm, das basiert auf 4 Fuss und 8½ Zoll. Warum ein, auch im imperialen System, derart eigentümlicher Wert gewählt wurde, ist nicht bekannt. Theorien, die das zu erklären versuchen, hören sich mehr wie Legenden an.
Nach den Gräueln des Guerra Civil, war Spanien am Rande des Staatsbankrotts. An sich ist das für das Land etwas völlig normales. Alleine Phillip II. führte das Reich dreimal, 1557, 1575 und 1596, in den Staatsbankrott. Carlos primero schaffte es auch mehrmals, trotz reichen Edelmetall Lieferungen aus Neuspanien. Beide hatten ein teures Hobby: Kriege. Phillip II. gegen die Protestanten, Carlos primero gegen alle, die in seiner Reichweite waren. Auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung und auch der Natur, begann in der Franco Diktatur ein bemerkenswerter Wirtschaftsaufschwung: Radikaler Aufbau des Massentourismus als Devisenquelle zur Finanzierung der Industrialisierung, gekoppelt mit niedrigen, staatlich gelenkten, Löhnen. In einer Diktatur geht manches eben einfacher. Offensichtlich ist auch eine genormte Eisenbahn Spurweite für eine prosperierende Wirtschaft förderlich. Am 24. Januar 1941, wurde die staatliche RENFE, Red Nacional de los Ferrocarriles Españoles, gegründet. Sie war Dach und Rechtskörper der nun verstaatlichten Bahngesellschaften und legte fest, dass ab nun die iberische Breitspur die Norm sei und setzte das auch um. Das ging reibungslos. Diskutiert wurde unter Franco nicht. Wer das vor hatte, wurde, um das Thema abzukürzen, im Castell de Montjuïc über Barcelona an die Wand gestellt. Das beschleunigt Entscheidungsprozesse. Ob die Spurweiten Entscheidung eine kluge war, kann bezweifelt werden, denn 85% der Welt, der Grossteil Europas, Nordamerikas, selbst Chinas, betreiben die Regelspur. Sollte die RENFE vor haben, in Zukunft die neue Seidenstrasse zu befahren, ist selbst China kein theoretisches Problem.
Ikonische Parade – Westinghouse, Kraus-Maffei, Oerlikon, ALCo, Hanomag y mas.
Es muss gar kein grösseres Interesse an Dampf-, Diesel- oder E-Loks bestehen, um das, was da vor der Wendeplatte des Museu del Ferrocarril steht, attraktiv zu finden. Mächtige Dampfloks in pechschwarz, bunte Dieselloks, attraktive Nahverkehrszüge reihen sich zu einer spektakulären Parade auf. Kenner der Szene, werden sich für die Dampfloks begeistern, denn hier sind wahre Raritäten zu finden.
Auch der Laie sollte einen Blick auf die Schautafeln werfen. Den nicht Fachmann überrascht die enorme PS Stärke der alten Maschinen und welche Geschwindigkeit damit erreicht werden konnte. Das lag weit jenseits jener, die nicht Rennwagen zu dieser Zeit erreichen konnten. In Kombination mit dem schlechten Strassennetz und der mangelnden Zuverlässigkeit der Automobile, war die Eisenbahn, wenigstens für den Fernverkehr, absolut konkurrenzlos.
Interessant sind auch die Typenschilder der Lokomotiven. Sie vermerken u.a., wo diese technologischen Meisterwerke gebaut wurden. Das Who’s Who der damaligen Zeit gibt sich ein Stelldichein, Maschinen aus Pensilvania, UK, Deutschland auch der Schweiz. Einige der Betriebe sind noch heute klingende Namen, wie Kraus-Maffei, Westinghouse oder ALCo. Interessant ist auch die Geschichte der Unternehmen. Einige kamen ursprünglich aus der Energiebranche, wie Westinghouse, zur Eisenbahnbranche, andere, wie ALCo (American Locomotive Company), entwickelten sich dort hin, in diesem Fall in den Bereich Kernenergie. Und auch der Weg in Richtung Rüstungsindustrie war für einige der Unternehmen nicht weit. Alle Lokomotiven, die sich präsentierten, wurden auf der Peninsula eingesetzt und tragen meist den Namen jener Strecke, die sie bedienten.
Cockpit analog – „einen Zahn zulegen“, „Dampf machen“.
Beeindruckend sind die Lokomotivführer Stände der Dampfloks, die teilweise begangen werden können. Die Palette an Stellrädern präsentieren sich für den Laien ebenso verwirrend, wie die Schalter in einem Jet Cockpit.
Besonders sticht ein markanter Hebel hervor, der in eine kreisrunde Zahnstange greift. Damit wird die Dampfmenge, welche auf die Kolben der Zylinder geleitet wird, gesteuert. Ein Zahn mehr nach rechts, heisst mehr Dampf und mehr Leistung und Geschwindigkeit. Daraus leiten sich Redewendungen in der deutschen Sprache ab: „Einen Zahn zu legen“, jemandem „Dampf machen“. In der spanischen Sprache findet sich diese Wendungen nicht.
Lockführer dazumal – stehen oder hart sitzen.
Aus Filmen sind die Bilder bekannt: Ein Lokführer steht, schaut mit Brille, damit ihm der Funkenflug die Augen nicht verbrennt, russverschmiert aus einem Guckloch, eine Hand an der Zahnstange, der Heizer schaufelt im Hintergrund Kohle. So sah das aus. Entsprechend gering fiel in den Maschinenständen die Möglichkeit aus, sich hinzusetzen. Interessanter Weise änderte sich das auch in den moderneren Dieselloks nicht, wie an den ausgestellten Exemplaren zu sehen ist. Lokomotiv Führer, früher einmal Traumberuf männlicher Kinder, war ein harte Job, der verklärt gesehen wurde. Bis zum Leitstand mit gefedertem Sessel, Joystick und Monitor, sollte es noch ein langer Weg sein.
Klassengesellschaft – „Holzklasse“ oder „Pullman“?
Ein Blick in die Standardklasse der historischen Zuggarnituren erklärt auf einen Blick eine weitere Redewendung der deutschen Sprache: „Holzklasse“. Wird in Erinnerung gerufen, dass eine Federung der Waggons nicht üblich war, kann angenommen werden, ohne mitgebrachtes Kissen wurde eine längere Reise zur Tortur. Verschweisste Schienen gab es nicht, daher gab es alle paar Sekunden einen ordentlichen Schlag.
Ein Blick in einen Pullman Wagon zeigt, recht bald ging es auch ganz anders. Mit dem entstehen des Tourismus Ende des 19. Jhd., entdeckte eine wohlhabendere Klasse die Eisenbahn als geeignetes Mittel, um schnell zu Kur, in das Seebad oder anderen Ortes zu kommen. Mit dem Komfort haperte es aber, bis die legendären Pullman Wagen ihren Dienst aufnahmen, als Schlafwagen, mit Bordrestaurant, selbst privatem Badezimmer. Gesessen wurde nicht hölzern sondern samten.
Auch eine gewisse Federung gab es. Zu diesem Zweck wurde der Waggon auf Holzbalken im eisernen Fahrgestellt gelagert, was Dämpfung brachte und Vibrationen schluckte, samt ersten Gummidämpfern in der Zentraleinheit. Auch bei den ersten Motorrädern kam Holz in Form einer Gabel aus Esche zum Einsatz, um zu dämpfen.
Die Idee der Pullman Wagen brachte der junge 23-jährige Belgier Georges Nagelmackers aus den USA 1868 nach Europa. Dort lernte er begeistert die von George Mortimer Pullman eingeführten Schlafwagen, die in coast to coast Zügen eingesetzt wurden, kennen. Er gründete die CIWL, Compagnie Internationale des Wagons-Lits, die sich zu einer Art Touristikkonzern entwickelte. Der betrieb nicht nur Bahnlinien, sondern in seinem Besitz stand ein Fuhrpark aus Loks und Waggons, Werkstätten, in denen Waggons gefertigt wurden, bis hin zu Hotels. Der anspruchsvolle Fahrgast erwartete sich auch am exotischen Reiseziel adäquate Unterbringung, was zu jener Zeit nicht möglich war. Moderne Hotels mit Zentralheizung, en Suite Bädern und exquisiten Restaurants wurden von CIWL errichtet. Später ging die Compagnie Internationale des Wagons-Lits in der französischen Accor Gruppe auf, gemeinhin eher unter den Hotelmarken Mercur, Novotel und Ibis bekannt. Wer gerne mit dem Zug reist wird gelegentlich auch noch auf Speisewagen treffen, die unter der Marken Wagon-Lits betrieben werden.
Das legendäre Aushängeschild der CIWL war der Orient Express, der erste transkontinentale Zug Europas, mit herausragendem Komfort. Noch heute ist der Begriff „Pullman Sitz“ Synonym für besonders komfortable Sitze, der u.a. auch im Fährverkehr verwendet wird. Aus der Entwicklung des Fernreiseverkehrs heraus, entstand die Notwendigkeit, eine weltweite Basiszeit zu definieren, um Fahrpläne aufsetzen zu können. In der Meridiankonferenz vom Oktober 1884 in Washington D.C., wurde Greenwich als Norm Nullmeridian festgelegt, an dem zum wahren Mittag die UTC 12 definiert wurde (siehe Artikel: Längengrad Null – die Meridian Insel El Hierro.)
Tip für ciclistas – mit dem Bike von Sitges nach Vilanova i la Geltrú.
Biker, die in Sitges wohnen, sollten das Museu del Ferrocarril de Catalunya mit dem Rad besuchen. Ein schöner Radweg führt in die Nachbarstadt hinüber. Erst geht es dem Paseo Maritimo entlang, dann wird der Golfplatz nördlich umrundet. Dort hinauf in die Sierras, einige Hügel, nicht mehr. Bald geht der Asphalt in eine für den Autoverkehr gesperrte gute und schnelle Piste über. In angenehmen auf und ab, nach Vilanova hinüber.
Jene, die zu Fuss gehen wollen, finden küstennah einen beliebten Wanderweg, der schöne Aussichten passiert. Aber auch mit dem Bike wird am Ende der Piste ein mirador erreicht, der Punta Grossa Vilanova.
Hin- und zurück sind lediglich rund 200 Höhenmeter zu nehmen. Je nachdem, wo in Sitges gestartet wird, sind 15 Km Tour-retour zu machen. Biker, die ein besonderes teures Rad ihr eigen nennen und kein Schloss mitführen, dem sie vertrauen, wird im Museum geholfen. Die Damen an der Rezeption sind extrem bemüht und lassen den Biker sein exquisites Velo im Abstellraum parken. Der Eintritt ins Museum beträgt im Vollpreis 6,50 Euro (April 2022), was angemessen ist. Ermässigungen werden angeboten. Besitz ein Tourist einen Bibliotheksausweis von Vilanova i la Geltrú, gibt es Rabatt. Das wird zwar selten der Fall sein, aber die Empfangsdamen weisen akribisch darauf hin. Das gefällt.
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Längengrad Null – die Meridian Insel El Hierro.
Bildnachweis.
Alle Bilder: © Dr. Ingmar Köhler.
Ausgenommen CIWL Schlafwagen: CCL B. Zsolt.