1934 – die gefährlichste Strasse Spaniens wird gebaut.
Jeder kennt sie, die California State Route 1, kurz Highway 1, den Pacific Coast Highway. In Hollywood Filmen thematisiert und Sehnsuchtsstrasse vieler Menschen in Europa und den USA. In einer etwas kleineren Ausgabe findet man eine ähnliche, nicht minder schöne und atemberaubende Strasse in Europa. Gran Canaria hat sie, die GC-200, die Westküstenstrasse entlang des Atlantiks. Keine 655 Miles sondern 60 Kilometer ist sie lang. Die beiden Strassen lassen sich nicht mit einander vergleichen, aber keine steht der anderen nach. Jede ist in ihrer speziellen Art die Schönste.
1934 wurde mit dem Bau der GC-200 auf Gran Canaria, die in Puerto de Mogán beginnt und in Puerto de las Nieves endet, begonnen. Sie verbindet zwei geschichtsträchtige Orte der Insel. Ganze 20 Jahre zogen sich die Bauarbeiten und schon zu Beginn gab es im Abschnitt Andén Verde grösste Schwierigkeiten bei der Trassierung. Brüchig und erodiert ist die Felsküste, denn die Westküste Gran Canarias ist ein Produkt eines Felssturzes, der vor rund 14 mio. Jahren statt fand. Einfünftel Gran Canarias brach zu jener Zeit ins Meer ab. Das Ergebnis sehen wir heute in Form der weltweit einzigartigen Klippen, die siebt höchsten Klippen unseres Planeten überhaupt, noch vor jener auf Hawaii. Befahrbar über eine Küstenstrasse, die nicht übertrieben weltweit ihresgleichen sucht. Ein Abenteuer von unglaublicher landschaftlicher Schönheit.
Die GC-200 gilt als die gefährlichste Strasse Spaniens. Man sollte sie mit Bedacht und Muse fahren. Es gibt auch keinen Grund zur Eile. Geniessen und erleben ist das Thema. Teils stürzen die Felsflanken 500 Meter senkrecht in den Atlantik ab. Wieviele Menschen bei den Bauarbeiten und danach auf dieser abenteuerlichen Strecke ihr Leben liessen, ist nicht wirklich bekannt. Die ersten kleinen Steinmauern und Leitplanken zur Sicherung wurden erst in den 1970igern errichtet, davor war die Strasse noch nicht einmal asphaltiert. Trotzdem verkehrte hier der öffentliche Bus, auf einer Strasse, die meist kaum breit genug für zwei Autos ist. Bei hereinbrechendem Passat-Regen ein Himmelfahrtskommando und auch heute noch ist das Befahren bei Sturm und Regen ohne Ausnahme verboten. Wer sich dennoch auf den Weg macht, hat mit drakonischen Strafen zu rechnen.
Höhepunkte der GC-200 sind die Aussichtspunkte, die schwindelerregend über dem Atlantik liegen und sensationelle Ausblicke auf die Küste bieten. Spektakulär der Mirador Andén Verde. Enorme 550 m stürzt die Klippe fast senkrecht ins Meer ab. Aber auch der Mirador El Balcón oder der Roque de Guyaedra präsentieren unvergessliche Blicke, die man wohl nie wieder vergisst.
Auch wenn die Ausblicke schon Grund genug wären, die GC-200 unter die Räder zu nehmen, ist dies annähernd nicht alles, das diese Westroute zu bieten hat. Kulturschätze, historische Siedlungen, Naturschönheiten, einsame Buchten, Badespass und mehr findet sich entlang der Strecke. Und so ist sie, obwohl nur 60 Km lang, eigentlich zu ereignisreich, um sie in einem Tag erleben zu können. Machen wir uns auf die Reise!
Optimaler Start – morgens in Puerto de Mogán.
Am besten beginnt man seine Reise über die GC-200 am Morgen in Puerto de Mogán. Gegen neun Uhr beleuchtet die Morgensonne die historischen Bauten in einem wunderbaren warmen Streiflicht. Die Sonne im Rücken läßt die weissen Häuser gegen den tiefblauen Himmel aufleuchten und zusammen mit den bunt umrahmten Fenstern, den Blumen, Bougainville und den vielen Palmen breitet sich ein Ort aus, den man eigentlich gar nicht verlassen möchte. Am Morgen ist es noch ruhig. Touristen schlafen oder frühstücken und so kann an der Mole in Ruhe ein Kaffee getrunken und der Ort genossen werden. Wer danach durch den Ort spaziert, trifft auf alte Fischerhäuser und Verwaltungsgebäude im spanischen Kolonialstil, kleine Kanäle und Brücken. Dieses Ambiente brachte Puerto de Mogán den Namen Kleinvenedig der Kanaren ein.
Puerto de Mogán und der Barranco de Mogán ist die klimatisch mildeste Ecke Gran Canarias. Windgeschützt und so gelegen, dass sich hier keine feuchten Passatwolken stauen, gibt es die meisten Sonnenstunden der Insel und die mildesten Temperaturen. In Sommermonaten liegt um neun Uhr noch eine milde Frische des Atlantiks in der Luft. Die schon früh stechende Sonne kündigt aber einen heissen Tag an. Und so ist es durchaus kein Fehler, am herrlichen Sandstrand von Puerto de Mogán, noch einmal schnell ins Wasser zu springen. Canarios lieben diese Bucht und so wird sie an Wochenenden schon früh morgens von kanarischen Familien in Besitz genommen.
Wer nach dem erfrischenden Bad im Atlantik noch einwenig Geschichte besichtigen will, findet am Ende der Bucht eine historische Guanchen Siedlung, die wohl auf 400 n. Chr. zurück geht. Schon die Ureinwohner schätzten das milde Klima und den fruchtbaren Barranco de Mogán. Fischer waren sie keine, sondern Hirten und auch Bauern. Die Siedlung an sich ist wie alle dieser Relikte wenig interessant. Einfache, runde Steinhütten, halb in die Erde gebaut, einwenig Töpferarbeit, eine Steinzeitkultur ohne Schrift.
Wesentlich interessanter ist die Herkunft dieser Menschen. Wahrscheinlich wurden sie im 3. bis 5. Jhd. n. Chr. von Römern als Arbeitssklaven und aufmüpfige aufständische Berber auf die Kanaren deportiert. Die römische Provinz Africa hatte zu jener Zeit ihre zweite Blüte. Karthago war nach Rom die zweitgrösste Stadt des Reichs und Römer waren auf die Schätze der Kanaren aufmerksam geworden, die nur mit viel menschlicher Arbeit auszubeuten waren. Die Purpur-Schnecke und Orchilla Flechte, aus welcher der Farbstoff Purpur und Indigo gewonnen wurde. Zu dieser Zeit wertvoller als Gold. Jüngste Funde römischer Keramik auf der Isla de Lobos vor Fuerteventura bestätigen diese Theorien. Mit dem Untergang des römischen Reiches, gerieten die Kanaren bis zur normannischen und kastillischen Eroberung in Vergessenheit und die Guanchen führten ein isoliertes, steinzeitliches Leben, ohne Eisen und Schrift oder Boote.
Ein Muss: Abstecher zum Mirador El Mulato.
Die GC-200 startet von Puerto de Mogán in den fruchtbaren Barranco de Mogán. Das Klima ist so vorteilhaft, dass links und rechts der Strasse alle Arten tropischer Gewächse zu sehen sind. Zitrusfrüchte, Papayas, Mangos und mehr werden hier kultiviert. Bald wird der Ort Mogán erreicht, der aber ohne schlechtes Gewissen links liegen gelassen werden kann.
Einige Kilometer später wird der idyllischen Kiefernhain Ojeda erreicht. Ein Frevel wäre es, den kurzen Abstecher über die abzweigende GC-606 hinauf zum Mirador del Mulato, auszulassen. Durch Bilderbuchlandschaft und so idyllisch, wie wenn ein Hollywood Kulissenbauer die Landschaft für einen Heimatfilm gestaltet hätte, schlängelt sich die Strasse durch kanarische Kiefer hinauf zum Aussichtspunkt Mirador del Mulato. Auf 680 m Seehöhe in einem herrlichen Palmenhain gelegen, eröffnen sich Blicke über den Barranco de Mulato und de Mogán, bis zur Bucht von Puerto de Mogán. Das UNESCO Biosphären Reservat liegt in seiner ganzen Pracht vor dem Besucher.
Wer möchte kann noch einige Kilometer auf die Hochebene weiterfahren. Eine Wasserscheide mit fünf Stauseen, Presa de las Niñas, del Mulato, de Chira, de Soria, Salto del Perro und einem ausgeklügelten Kanalsystem, ähnlich der Südtiroler Waalwege, welches das Wasser zu den Plantagen hinab leitet, findet sich dort. Ist es schon gegen Mittag, gibt der immer wehende leichte Wind, auf rund 1.000 m Seehöhe, eine angenehme Kühle.
Den Weg durch den Barranco de Mogán, de Mulato hinauf zum Presa Salto del Perro, nahmen die alten Canarios, wenn sie zu Fuss am Weg nach Las Palmas waren. Die Querung der Hochebene ist der einfachste und direkteste Weg in die Hauptstadt.
Am Weg nach Puerto de Aldea: Azulejos de Veneguera, Playa de Tasarte und Badespass am Playa de Aldea.
Zurück von der GC-606 auf die eigentliche Route, die GC-200, folgt schon einige Kilometer später eine weltweit einzigartige Attraktion, die jeden in Staunen versetzt. Vom Degollada de Veneguera in einer Spitzkehre auf 460 m Höhe, liegen, wie ein modernes Kunstwerk, die Azulejos de Veneguera vor dem Besucher. Basalt Formationen, die durch Verwitterung und chemische Reaktionen, stechend türkis- und ockerfarbene Felsen gebildet haben. Weltweit einzigartig und Magnet für Geologen und Vulkanologen.
Die GC-200 ist so trassiert, dass sie einige Kilometer später direkt bei einer dieser Formationen vorbei kommt. Hier ist hautnah dieses Spektakel der Natur zu bewundern. Es ist fast nicht zu glauben, dass all dies rein natürlichen Ursprungs ist.
Von den Azulejos de Veneguera schraubt sich die GC-200 an den Flanken des Montaña de las Monjas 200 Höhenmeter hinab in den Barranco de Aldea und trifft auf den Abzweig der GC-205 in den kleinen Ort Tasarte. Wer Zeit hat, gute Reifen und einen gesunden Rücken, sollte diesen Abzweig nehmen. Bis in den Ort mit einem schattigen Kirchplatz und riesigen alten Bäumen, samt einer empfehlenswerten Tapas Bar, führt eine asphaltierte Strasse. Hinter den Häusern zweigt eine unauffällige Strasse ab, die mit einem Schild „Playa“ markiert ist, was wohl schon seit 30 Jahren vor sich hin wittert und den Schriftzug nur noch erahnen lässt. Egal, denn Touristen sind hier keine.
Die Piste gestaltet sich anfänglich als angenehm und lässt vermuten, die 5 Kilometer Richtung Strand bald geschafft zu haben. Dann wird jedoch der Barranco de Tasarte immer enger, abenteuerlicher, schöner, flankiert von Bananenplantagen und zeitweilig möchte auch der ambitionierte Fahrer fast aufgeben, denn selbst im Schritttempo wird es schon anstrengend holprig. Durchhalten, schlimmer wird es nicht mehr. Ein aufkommendes Karl May Feeling al la Schatz im Silbersee lenkt ab und wenn ein alter Kalkofen auftaucht, ist es fast geschafft. Den grossen Strand erreichend, wird der Besucher am Wochenende von lebhaftem Treiben überrascht. Canarios lieben es mit der Familie das Wochenende am Strand zu verbringen. Wer interessiert den Strand besucht, findet an der Nordseite eine gut erhaltene alte Mole. Sie wurde genutzt, um den gebrannten Kalk und die Bananen zu verschiffen. Die Bananenplantagen sind noch jüngeren Jahrgangs. Ein britischer Unternehmer kam im 19. Jahrhundert als Erster auf die Idee, hier, sehr erfolgreich, Bananen und Tomaten anzubauen. Eine neue Art der Landwirtschaft hielt auf Gran Canaria Einzug.
Ist es ohne platten Reifen zurück auf die GC-200 geschafft, wird kurz danach der Ort San Nicolás de Tolento erreicht, bevor die Strasse auf die Bucht von und den Puerto de la Aldea trifft. Puerto de la Aldea und seine weitläufige Bucht ist am Wochenende bei Canarios, obwohl ein reiner Steinstrand, ebenfalls sehr beliebt. Canarios suchen nicht, ähnlich den Mitteleuropäern, den goldgelben Sandstrand, an dem sie sich regungslos braun braten können. Sonne hat der Canario ohnedies laufend. Canarios suchen das Meer, wo sie sich mit Kind und Kegel breit machen können, ohne andere zu bedrängen, die Angel ins Wasser halten, einwenig schwimmen, danach das frisch Gefangene grillen können. Das Ganze im heiligsten Kreis eines jeden Spaniers, seiner Familie. All das, was er am Playa Ingles nicht mehr machen darf, weil da nun Touristen den Ton angeben, das findet er am Playa de Aldea.
Der Playa de Aldea hat übrigens eine besondere Attraktion. Er besteht aus zwei Hälften, die durch eine Klippe getrennt sind und damit jederzeit, auch bei Flut, bequem und trockenen Fusses von einem zum anderen gewechselt werden kann, wurde ein kleiner Tunnel in die Klippe geschlagen.
Auch hier kann der GC-200 Reisende noch einmal ein erfrischendes Bad nehmen, und sollte auch in San Nicolás de Tolento eine kühle Flasche Wasser kaufen. Bis Puerto de las Nieves wird er nämlich nur noch in El Risco auf eine Bar stossen, die nicht unbedingt geöffnet haben muss.
Am Weg nach El Risco: Atemberaubende Ausblicke am El Balcón und den Andén Verde.
Nach Puerto de Aldea beginnt das wahre Abenteuer, die Küstenstrasse. Harmlos und sanft ansteigend zieht sich die Strasse entlang einer Bergflanke und mündet plötzlich in einem Felsausschnitt, dem Mirador El Balcón. Ein Steinbalkon wurde in 340 m Höhe an die Klippen gebaut und bietet einen kaum in Worte fassbaren Ausblick. Gegen Norden ist das Ziel der GC-200, der Puerto de las Nieves zu sehen, der Roque de Guayedra, den Blick nach Süden gerichtet taucht der westlichste Punkt Gran Canarias, die Los Bajones auf. Die gesamte Westküste breitet sich vor dem Besucher aus, vor ihm der weite Atlantik. Ein sehr einprägsames Erlebnis.
Doch dem nicht genug. Blickt man vom El Balcón genau in nordwestliche Richtung, 315 Grad, ist an klaren Tagen der nur 88 Km entfernt gelegene Gipfel des Teide de Tenerife, mit 3.718 m der höchste Berg Spaniens, zu sehen. Und auch unter der Wasseroberfläche liegt Interessantes. Auf rund halber Strecke zwischen Gran Canaria und Teneriffa fällt der Atlantik plötzlich in einen Graben von 2.500 m Tiefe ab, in dem sich ein 500 m hoher Unterwasser-Vulkan befindet.
Die kartographische Bezeichnung des Mirador El Balcón ist Paso de Marineo, denn schon lange bevor die Strasse gebaut wurde stiegen in diesem V-Ausschnitt der Klippen, im Degollada, Flechtensammler ab, die die kostbare Orchilla sammelten, aus der Indigo gewonnen werden kann. Um diesen halsbrecherischen Abstieg zu überleben, bedienten sie sich dem kanarischen Hirtenstab, dem Palo de Pastor, ein bis zu drei Meter langer Stab mit einer längeren Metallspitze, die in den Boden gerammt wird, um auf dem rutschigen und erodierten Gelände nicht zu stürzen. Der Palo de Pastor ist genauso wie der Lucha Canaria Kulturgut und jede Insel hat unzählige Vereine, die die Kunst pflegen, mit dem Hirtenstab Klippen zu bewältigen und waghalsige Sprünge auszuführen. Flechtensammler war ein eigener Beruf, Wanderarbeiter, die über die Insel zogen und im Auftrag die wertvollen Flechten für den Grundeigentümer ernteten. Da sie sehr langsam wachsen, gab es an den ausgebeuteten Küsten lange Zeit nichts zu tun und so zogen sie weiter.
Seit November 2016 ist jedoch am El Balcón Schluss. Die Strasse durch die Andén Verde ist gesperrt, da zum wiederholten Male eine Gerölllawine die Strasse verlegte und alle Fangnetze mitriss. Zu Schaden kam durch grosses Glück niemand. Bereits beim Bau der Strasse 1934 bereiteten die Arbeiten in den Andén Verde durch die starke Felserosion grosse Schwierigkeiten. Das die Strasse jemals wieder eröffnet wird, ist eher fraglich, da die Sicherheit nicht garantiert werden kann. Durch unser heutzutage deutlich gesteigertes Sicherheitsbedürfnisse und die Eröffnung der Umfahrung dieses Teils der GC-200 durch eine Tunnelröhre, die schnell El Risco erreichen lässt, scheint dies ausgeschlossen. Auch die laufenden Instandhaltungskosten möchte die Inselregierung wohl nicht mehr aufbringen, ganz abgesehen vom Image Schaden, sollte doch einmal etwas passieren. Das letzte Wort ist jedoch noch nicht gesprochen. Auch am Gardasee wurde die bei Mountainbikern heiss geliebte Ponale Strasse aus ähnlichen Gründen gesperrt und irgendwann dann doch wieder eröffnet.
Es ist übrigens dringend abzuraten, die Sperrgitter beim Mirador El Balcón zu umgehen und die knapp zwei Kilometer zum höchsten Aussichtspunkt der GC-200, dem Mirador Anden Verdé auf 550 m Seehöhe zu erwandern, was lediglich ein Spaziergang ist.
Nach Puerto de las Nieves: Guanchensiedlung am Roque de Guayedra und der einsame Playa de Guayedra.
Da leider die weiteren 8 Km von El Balcón nicht auf der GC-200 genommen werden können, muss alternativ nach El Risco die neue Tunnelröhre befahren werden. In El Risco wartet nicht nur die einzige Bar am Weg Richtung Puerto de las Nieves, sondern eine weitere Attraktion entlang der Westküstenstrasse. Der Risco de Fanaque, Risco für steiler Felsen, mit 1.027 m über dem Meeresspiegel taucht auf und bildet nach der höchsten Klippe weltweit, dem Thumbnail mit 1.500 m in Grönland, die siebt höchste Klippe weltweit. Zu ihren Füssen findet sich auch noch ein kleiner Strand. Mag sein, dass die GC-200 wirklich die gefährlichste Strasse Spaniens ist, eine der erlebnisreichsten alle male.
Was durch die Sperre der Andén Verde verpasst wurde, macht die GC-200 Richtung Roque de Guaydera wieder gut. Mit Spitzkehren und Kurven schmiegt sie sich an die Klippen, in einem angenehmen auf und ab, bietet sensationelle Tiefblicke. So und nicht anders stellt man sich eine Küstenstrasse vor. Schöner geht es nicht.
Am Roque de Guaydera, sollte aus mehreren Gründen ein Stopp eingelegt werden. 1974 – 80 wurde hier die erste fundiert wissenschaftliche Ausgrabung durchgeführt und so wurden drei rund 700 Jahre alte Guanchen Rundbauten freigelegt. Da sich zu dieser Zeit der Tourismus auf den Inseln nur an den goldgelben und weissen Sandstränden abspielte, blieb diese Ausgrabung danach ungeschützt liegen. Niemand interessierte sich dafür weiter, bis ein Strassenarbeiter mit seinem Bulldozer 2004 die Steine der Gebäude als komfortable Quelle entdeckte, um damit Felsmauern der GC-200 mit möglichst geringem Aufwand zu reparieren. Dieser Ignoranz fiel ein Gebäude zum Opfer. Die breite Masse der Canarios hat leider generell ein sehr geringes Interesse an Kultur und Herkunft und ist, durch stark lateinamerikanische Einflüsse und obwohl streng katholisch, hauptsächlich dem Jenseits und Heute zugewandt. Eine durchaus sympathische Eigenschaft, wenn sie nicht im Abreissen von Kulturgut endet.
Die Rundbauten liegen ungewöhnlich exponiert und es bedarf keines besonderen Fachwissens zu erahnen, dass es sich hier definitiv um eine Kultstätte gehandelt hat. Die Lage am Fels hoch über der Küste, darunter der Palmen durchzogene Barranco de Guayedra, die teils mystisch in den Klippen hängenden Passatwolken und die Bergflanken schaffen eine vereinnahmende und inspirierende Stimmung. In den steilen Flanken, den Altos de Guayedra, die sich auf 1.200 m erheben, finden sich unzählige, schwer zugängliche Felsenhöhlen, in denen Guanchen Verstorbene höheren sozialen Ranges kunstvoll mumifiziert bestatteten. Der Zugang in die Flanken ist nicht nur wegen Steinschlag verboten, da auch nicht ausgeschildert vom nicht Kundigen kaum zu finden. Wer dieser Kultur näher kommen möchte, kann dies im Museo Canario in Las Palmas tun, wo einige der Mumien zu sehen sind und auch die verschiedenen Balsamierungs-Techniken die stark berbischen Traditionen ähneln, erklärt sind. Hinter den Altos de Guayedra breitet sich übrigens eine wunderschöne Hochebene aus. Mit dem grössten erhaltenen Kiefernwald der Insel bietet sie rund um den Pinar de Tabada (1.444 m) ein herrliches Wandergebiet und Wasserreservoir der Insel.
Vom Roque de Guayedra geht es hinab in den schönen und fruchtbaren Barranco de Guayedra. Ist noch Zeit, lohnt sich die gute Piste in wenigen Minuten hinab zur grossen Bucht und Strand zu fahren. Unten stösst man auf das Ressort Redondo de Guayedra, das ein absoluter Geheimtipp für einen entspannten Urlaub ist. Von hier führt ein kleiner Fussweg an den Strand hinab. Wegen Steinschlag sollte man erst die Flanken etwas begutachten und dann den Pfad zügig passieren.
Am Strand sind kaum Besucher anzutreffen, ein Angler, eine Familie vielleicht. Der Ausblick von hier auf das Ziel der Reise, Puerto de las Nieves, ist wunderschön. Auch eine beliebte Ecke bei Tauchern. Einige Gedenktafeln mahnen aber, ohne ortskundige Begleitung hier jeden Wassersport zu vermeiden. An den felsigen Ecken derartiger Buchten bilden sich immer starke Strömungen, die einen Schwimmer oder Taucher gnadenlos auf das offene Meer hinaus ziehen.
Nach langen 60 Km am Ziel: Puerto de las Nieves.
60 Km nach Puerto de Mogán, ohne Abstecher, wird der historisch bedeutende Hafen Puerto de las Nieves, das Ende der GC-200, erreicht. In dem Naturhafen landete 1481 Pedro de Vera an, ein Kastillier, der von den Reyes católicos beauftragt wurde, Gran Canaria zu erobern. Anders als die dünn besiedelten Inseln Fuerteventura oder Lanzarote, die von einer Handvoll Normannen in Windeseile erobert werden konnten, hatte man auf Gran Canaria und Teneriffa, die jeweils mindestens 30.000 todesmutige Guanchen besiedelten, nicht so leichtes Spiel. Es war ein richtiges Berufsheer von Nöten, den Widerstand zu brechen. Trotz spektakulärer Siege der Guanchen, unterlagen sie letztendlich in den verheerenden Schlachten von Aruca und Galdar. Gegen die Fernwaffen der Spanier, vor allem die Armbrust, Schwerter und mehr hatten die Guanchen, die kein Metall kannten, noch nicht einmal Pfeil und Bogen besassen, nur ihren beeindruckenden Mut und topografische Kenntnisse entgegen zu setzen. Dass sie trotz dieser Unterlegenheit, vor allem auf Teneriffa, derart viele Schlachten für sich entscheiden konnten, ist mehr als beeindruckend.
Puerto de las Nieves wurde zügig zum Handelshafen ausgebaut und schon 1483 war es mit einem Wehrturm versehen. Alonso Fernández de Lugo erhielt von den Katholischen Königen das Valle de Agaete übertragen und errichtete Zuckerrohrplantagen und eine Zuckerrohrfabrik. Das war der eigentliche Grund der Eroberung, denn Europa befand sich in einem Zuckerrausch, es war das weisse Gold seiner Zeit. Alonso Fernández de Lugo wurde es aber bald zu langweilig und so verkaufte er Fabrik und Plantagen 1494 an den Genueser Kaufmann Francisco de Palomares. Dieser wiederum hatte auch keine Lust auf dem entlegenen Eiland ohne Luxus zu leben und so liess er Plantagen und Fabrik von seinem Bruder Antón Cerezo verwalten. Diesem und seiner Frau Sancha Díaz de Zorita ist die kleine Kirche zu verdanken. Beide legten testamentarisch fest, dass aus ihrem Nachlass eine Kirche und ein Kloster zur Heiligen Jungfrau von Las Nieves zu errichten sei. Der Nachlassverwalter ging jedoch sparsam zu Sache. Aus dem Kloster wurde nichts, warum auch immer. Lediglich eine kleine Kapelle wurde errichtet. Daraus entstand erst im 19. Jhd. eine Kirche, wie sie heute zu sehen ist.
Während sich der Handelshafen Puerto de las Nieves und der Zuckerrohr Anbau prächtig entwickelte, betätigte sich Alonso Fernández de Lugo als Conquistador, unterwarf recht geschickt ohne Blutvergiessen La Palma, um dann in umso brutaleren Schlachten Teneriffa mit vielen Rückschlägen zu erobern. Alonso Fernández de Lugo legte den Grundstein für den Bau der heutigen Hauptstadt Teneriffas St. Cruz. De Lugo führte ein umtriebiges und ehrgeiziges Leben. Bis zu seinem Lebensende trug er den Titel und die damit verbundene Macht des „Adelantado de las Islas Canarias, Capitán General de la costa de África desde cabo de Guer hasta el de Bajador“. Er starb am 20. Mai 1525 in seinem Haus in San Cristóbal de La Laguna Teneriffa im für damalige Verhältnisse hohen Alter von 69 Jahren. Bedenkt man, dass er bei den Kampfhandlungen zur Eroberung Teneriffas selber aktiv beteiligt war, auch an der verheerenden Schlacht von Ancentejo, die als das „Gemetzel von Acentejo“ in die Geschichte einging, ist sein hohes Alter ein Wunder. Guanchen vernichteten mit einfachsten Mitteln das gesamte kastilische Heer mit Steinen, Knüppeln und Holzlanzen. Nur 200 Mann der rund 1.500 teils berittenen Kastilier überlebten das Blutbad, allesamt verletzt sich an den Strand flüchtend. Auch Alonso Fernández de Lugo überlebte nur mit viel Glück, von einem Stein im Gesicht schwer verletzt.
Über die Jahrhunderte lief es gut im Hafen von Puerto de las Nieves. Auch heute zählt er noch zu den drei wichtigsten Gran Canarias. 1875 bis 1878 lies man von Baumeister Antonio de Armas, nicht verwandt mit dem katalanischen Fährunternehmer Armas und Fred.Olsen Konkurrent auf den Kanaren, für 105.000 Peseten eine massive Hafenmole aufwändig aus verfugten Steinquadern errichten. 100 Peseten entsprachen 32,25 g Gold und so wären die 105.000 Pesten nach heutiger Kaufkraft rund 1,2 mio Euro (und keineswegs 682 Euro, wie auf einem Schild im Hafen zu lesen ist) wert. Eine stolze Summe die gut angelegt wurde, denn die Mole steht auch nach 150 Jahren wie eine Eins im wilden Atlantik. Direkt anlanden konnten die Schiffe nicht. Das Wasser ist zu seicht. So wurden Güter und Passagiere von Lastkähnen zwischen Mole und Schiffen transportiert. Ein Ladekran, der noch im Original recht verrostet an der Mole steht, half beim Be- und Entladen. Kühe wurden wie damals üblich einfach von Bord geworfen und schwammen selbständig an Land. Heute legen von der neuen Mole die schnittigen Fred.Olsen Katamaran Fähren ab, die in rund eineinhalb Stunden z.B. Teneriffa oder Fuerteventura erreichen.
Wer am späten Nachmittag in Puerto de las Nieves eintrifft, kann dort den restliche Tag hervorragend verbummeln. Shopping Paradies ist es keines. Dafür lädt ein kleiner, netter gepflegter Strand an der Hafenpromenade mit ruhigem und klarem Wasser ein, in der Sonne zu faulenzen und sich nach der Fahrt abzukühlen. Einen Holz beplankten Liegebereich gibt es überdies und unzählige Bars. Ab dem früheren Nachmittag füllt sich der Strand mit jungen Leuten der Gegend, da er auch gut mit dem Global Busnetz zu erreichen ist.
Danach bietet sich fangfrischer Fisch an, z.B. in der Cofradía pescadores, der Bruderschaft der ansässigen Fischer, die den Fang des Tages einfach aber schmackhaft zubereitet. Auf andere Gerichte sollte man eher verzichten. Am besten man lässt sich den Tagesfang zeigen und sucht einen frischen Fisch aus. Das Angebot variiert je nach Jahreszeit und Fangquoten stark. Thunfisch und Sardinenschwärme ziehen durch, beliebt auch die heimische Goldbrasse. So Krustentiere angeboten, sind sie aus Nordspanien herangeschafft, da sie auf den Kanaren zur Bestandserholung streng geschützt sind. Lediglich Eigenbedarf darf eingeschränkt an der Küste gesammelt werden. Wer sich an geschützte Arten vergreift, kann z.B. für die geschützte Majorero Napfschnecke mit Strafen ab (!) 30 tsd. Euro rechnen. Auf Nachsicht ist nicht zu hoffen.
Leider ist der Dedo de Deos, der Finger Gottes, ein Felsen über dem Hafen, derzeit wie vieles wegen Steinschlag gesperrt. Ein phänomenaler Ausblick eröffnet sich von dort auf Hafen, Bucht und Klippen. Auf diesen muss leider verzichtet werden.
Eine Reise über die GC-200 ist wahrlich ein besonderes Erlebnis auf Gran Canaria. Man sollte Zeit und Muse dafür mitbringen und früh aufbrechen. Dann steht ein erlebnisreicher Tag bevor mit bestaunenswerten Naturschönheiten, Einblicken in die Kanarische Geschichte und jeder Menge Badespass. Als Abschluss laden noch hervorragende Fischrestaurants und ein Strand in Puerto de las Nieves, um den Tag gemütlich ausklingen zu lassen. Ein perfekter Tag auf den Kanaren.
Distanzen.
- Puerto de Mogán – Puerto Aldea: 35 Km
- Pie de la Cuesta – Mirador El Mulato: 6 Km
- Mirador El Mula – Presa Salto del Perro: 4 Km
- Puerto Aldea – El Risco: 12 Km
- El Risco – Puerto de las Nieves: 13 Km