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Valencia Ciutat de les Arts i les Ciències.
Kultur + Lifestyle Reise

Unterwegs nach Valencia – Ciudad de las Artes y las Ciencias.

Von Sevilla nach Valencia – ein Zeitsprung auf 650 Kilometern.

Wird in der Hauptstadt Andalusiens, Sevilla, nach Valencia aufgebrochen, findet eine Zeitreise auf kurzer Distanz statt. Sevilla ist eine bemerkenswert historische Stadt mit ebensolcher Bausubstanz. Als Spanien die Welt eroberte, erlangte Sevilla zentrale Bedeutung. Die neu gegründeten Bistümer auf dem gerade einverleibten kanarischen Archipel, waren jenem Sevillas unterstellt. Die Truppen der Stadt hatten als Schutzmacht zu fungieren. So legte es die kastilische Krone fest. Und Sevilla war auch jene Stadt, der das Handelsmonopol mit Neuspanien zugesprochen wurde. Auf den Kanaren waren Geschäftstreibende wenig gewillt, sich daran zu halten. Alle Proteste Sevillas bei der Krone fruchteten aber nicht, denn „pecunia non olet“ befanden die Reyes Católicos, wie schon 1.500 Jahre die Römer zuvor.

Kathedrale von Sevilla.

Kathedrale von Sevilla.

Es wundert, dass eine Stadt, die derart zentrale Bedeutung im Entstehen einer globalisierten Weltwirtschaft hatte, wenig der Moderne zugewandt war und ist. Sevilla scheint in nostalgischer Selbstverklärung dahin zu gleiten, wenn auch sehr schön, als Verwalter des grandiosen Erbes der Almohaden. Viel Herausragendes tat sich danach nicht mehr. Die Relikte der beiden Weltausstellungen mehr Abbruchobjekte und auch die Alamillo Brücke, noch dazu entworfen vom Valencianer Santiago Calatrava Valls, oder das Metropol Parasol als Kulturatrappe für Touristen, befördern die Stadt nicht in die Moderne. Das ist einfach zu wenig.

Die Puente del Alamillo über den Guadalquivir in Sevilla.

Die Puente del Alamillo über den Guadalquivir in Sevilla.

Touristenmagnet Metropol Parasol Sevilla.

Touristenmagnet Metropol Parasol Sevilla.

Der Kleidungsstil der weiblichen Bewohner Sevillas, alt wie jung, lässt das Gefühl aufkommen, irgendwo Anfang der biederen 1960iger Jahre erwacht zu sein. Das verdirbt die Laune unter stahlblauem Himmel. Nur das Sonnenkraftwerk ausserhalb Sevillas, das „PS10“ und „PS20“, strahlt und glänzt innovativ kilometerweit über die weiten Ebenen Andalusiens. Das ist wahrlich herausragend einzigartig.

Sonnenkraftwerk PS10 in Andalucia nahe Sevilla.

Sonnenkraftwerk PS10 in Andalucía nahe Sevilla.

Moderne und Innovation fand in Sevilla, nach den Almohaden, erstaunlicher Weise anderen Ortes statt, auch wenn in Sevilla die zweitgrösste Universität Spaniens angesiedelt ist. Ihr Fokus liegt im Bereich der Rechtswissenschaften, in Sachen Technik, Naturwissenschaften und anderen Disziplinen, die Gesellschaften bewegen und nicht nur verwalten, sieht es schlecht aus.

Der Renaissance Anbau der Universität Sevilla.

Der Renaissance Anbau der Universität Sevilla.

Kristallisationspunkt der spanischen Aufklärung war besonders auch Las Palmas de Gran Canaria, einem Bistum, das Sevilla unterstellt war. Als Hauptstadt Andalusiens, waren aufklärerische Gedanken für Sevilla Teufelszeug. Eine Landreform, wie auch in Lateinamerika, wurde in Andalusien bis heute verhindert und so befindet sich Grund und Boden nach wie vor in den Händen weniger Familien. Um den Skandal perfekt zu machen, befasste sich das Gabinete Literario in Las Palmas, eine Freimaurer Loge, ganz offen mit ebensolchen Gedanken, wie auch der Abschaffung der Sklaverei oder neuen Technologien. Im Gabinete Literario gab es all jene verbotenen Bücher zu lesen, die am index librorum prohibitorum des Vatikans standen und der Weltsicht der römisch-katholischen Kirche widersprachen, also so ziemlich allem, ausser dem Inhalt der zurecht geschriebenen Märchenbibel. Die verbotenen Bücher erreichten Las Palmas meist aus Frankreich und verbreiteten sich von dort nach Lateinamerika. Wer im, noch heute, streng gläubigen Sevilla mit derartigen Büchern erwischt wurde, den traf im glücklichsten Fall nur die excommunicatio.

Das Gabinete Literario Las Palmas de Gran Canaria.

Das Gabinete Literario Las Palmas de Gran Canaria.

Das, freundlich ausgedrückt, konservative Sevilla, hatte keinen leichten Stand. Die Kanaren ignorierten Sevillas Handelsmonopol mit der neuen Welt, beluden die Atlantikquerer hemmungslos mit Wein aus Teneriffa und Lanzarote, die Bodegas in Andalusien schauten durch die Finger und auch Valencia war immer gut für eine solide Provokation, die auch militärisch ausfallen konnte. Der bedeutende Mittelmeerhafen war vom Handel mit der Neuen Welt ausgeschlossen. Das verstimmte die so geschäftstüchtigen Valencianer derart, dass dies bis heute nachwirkt. So legte sich Valencia die erste Druckerpresse der iberischen Halbinsel zu und fertigte auf ihr 1478 die erste gedruckte romanische Bibel und dass nicht in Castellano sondern Valenciano. Keine Laune sondern ein klares separatistisches Signal hinüber nach Andalusien, dass die konservative PP (Partido Popular) nach wie vor gerne sendet, wenn auch nicht ganz so radikal, wie es aus dem benachbarten Barcelona tönt. Da sieht sich der Valencianer doch etwas anders, beharrt er doch darauf, dass Valenciano eine eigene Sprache sei. In der Tat ist es jedoch eine Variante des Catalán, was in Valencia besser nicht thematisiert werden sollte, denn es ist dort neben Castellano Amtssprache. Die Meinung der Sprachwissenschaftlicher interessiert die eigenwilligen Valencianer wenig.

Valencia – innovativ, modern, radikal.

Was Sevilla nicht schafft, das gelingt Valencia mit Leichtigkeit: Geschichte und Moderne im Einklang. Eine Stadt von den Römern 138 v.Chr. auf einer Flussinsel des Río Turia gegründet, in der noch heute der wunderschöne historische Stadtkern liegt. Bemerkenswert an Valencia, das im 15. Jhd. rasant zur führenden Hafen- und Finanzmetropole im Mittelmeer aufstieg, es wurde nicht wie beispielsweise Cádiz oder Barcelona von Phöniziern gegründet. Den Aufschwung hatte Valencia der Seidenproduktion zu verdanken, deren Technologie es beherrschte und die atemberaubende Vermögen schuf.

Casco von Valencia auf der einstigen Flussinsel des Turia.

Casco von Valencia auf der einstigen Flussinsel des Turia.

Stillstand gab und gibt es in Valencia nicht. Das ist in dieser quirligen Stadt allgegenwärtig und kann bisweilen die Nerven strapazieren. Wer sich in den Grossstadtverkehr wagt wird feststellen, jener in Madrid und Barcelona wirkt dagegen ländlich gemütlich. New Yorker Taxifahrer, die als besonders rücksichtslos gelten, könnten in Valencia einiges dazulernen. Das Tempo überrascht, kündigt doch die Stadt stolz an allen Zufahrten an: Im gesamten Stadtgebiet gelte nun 30 km/h. Darunter wird von den Einwohner eine Richtgeschwindigkeit von 70 km/h verstanden, in den achtspurigen Kreisverkehren, auf den langen Geraden gilt jedenfalls 100 km/h, mindestens. Dass 2008 mit dem Valencia Street Circuit eine Formel 1 Rennstrecke in der Stadt angelegt wurde, scheint daher eine zwingende Notwendigkeit. Auch am Wasser muss es in Valencia möglichst schnell zugehen. 2007 und 2010 wurde der America’s Cup nach Valencia geholt und dafür der moderne Yachthafen Marina Real Juan Carlos I angelegt. Geld ist Nebensache, Tempo kostet.

America’s Cup im Hafen am Hafen von Valencia.

America’s Cup im Hafen am Hafen von Valencia.

In Sachen moderner Architektur gibt sich Valencia nicht mit Touristenkitsch wie einem Metropol Parasol Sevillas ab. Für den Kongresspalast wurde der Stararchitekt Norman Foster engagiert. Die Ciudad de las Artes y las Ciencias konnte kein anderer als der gebürtige Valencianer Santiago Calatrava Valls entwerfen. Das stand ausser Frage. Wer mit Calatrava baut, sollte sich jedoch auf schlaflose Nächte und Blutdruck Krisen einrichten, denn er ist weltweit für seine wahnwitzigen Budgetüberschreitungen gefürchtet. Bei der Errichtung der PATH-Station am Ground Zero in New York („Oculus“) fiel sie so enorm aus, dass er defacto von weiteren Aufträgen in den USA ausgeschlossen ist, was den Meister aber wenig kümmert. Das Ding steht. Was kümmern im Nachhinein 2 Mrd. USD Budgetüberschreitung?

PATH-Station, New York City, USA (2016).

PATH-Station, New York City, USA (2016).

Der Drang fern der Norm zu agieren, ist in Valencia sehr ausgeprägt, auch in Bezug auf das Nachtleben. In den 1980igern und 1990igern entstand die berüchtigte „Ruta Destroy“, die Valencia zur Partyhauptstadt Spaniens kürte. An Wochenenden fielen 30 Tsd. Menschen in die Diskotheken ein, die in jeder Hinsicht exzessiv feierten. Ganz so wild ist es dieser Tage nicht mehr, aber deutlich wilder als in den meisten europäischen Grossstädten. Das kann garantiert werden. Musikalisch interessant, es bildete sich ein eigener Dancefloor Stil heraus, den bandas wie Amnesia, Hypnosis oder Megabeat prägten. Über die Grenzen der Provinz wurde er trotz hohem musikalischen Niveau nicht bekannt.

Das Tor zu Andalusien – Desfiladero de Despeñaperros.

Das Tor zu Andalusien – Desfiladero de Despeñaperros.

Über die A4 aus Sevilla wird Valencia angesteuert. Es geht durch die Desfiladero de Despeñaperros (Schlucht von Despeñaperros), ein Naturpark von besonderer Schönheit. Der Durchbruch wird auch als „Tor zu Andalusien“ bezeichnet. Richtung Mittelmeer Küste führt der Weg hinunter durch ausgedehnte Stein- und Korkeichenwälder, fantastische Weite in einer sehr vereinnahmenden Landschaft. Musikliebhaber könnten ihrem Soundsystem auf dieser Strecke „Glow Energy“ der Valencianer Megabeat entlocken. Es kommt das Gefühl auf, Megabeat hätte den Track zur szenischen Untermalung dieser Passage geschrieben. Reisende, die aufbrachen, Spanien in allen Facetten zu erleben, stimmen sich so mit einem gehörigen Schuss Sehnsucht auf Valencia ein.

Río Turia – der steinige Weg vom Fluss zum Grossstadt Paradies.

Als die Römer 138 v.Chr. Valencia gründeten, suchten sie sich offensichtlich mit der Wahl einer solide erhöhten Insel Mitten im Río Turia und weit von seiner Mündung im Mittelmeer entfernt, einen strategisch optimalen Ort: Er war sowohl von Land als auch von See aus schwer anzugreifen. Aussergewöhnliche Gezeitenphänomene wie auch Flusshochwasser waren für das antike Valencia keine besondere Bedrohung. Als Valencia im 15. Jhd. begann rapide zu wachsen, wurde der Hunger nach Bauland gross. Die Flussufer hinunter zur Mündung wurden besiedelt, dann fielen die Stadtmauern. Kein Halten gab es in der Franco Ära, als in Zeiten der Militärdiktatur mit äusserster Brutalität Spanien ein Wirtschaftswunder abgerungen wurde. Auch in Valencia wurde begonnen immer gewagter an den Río Turia zu bauen und da Menschen dazu neigen, Themen auszureizen, waren die Folgen abzusehen.

Die Ciudad de las Artes y las Ciencias Valencia eingebettet in einen kilometerlangen Park.

Die Ciudad de las Artes y las Ciencias Valencia eingebettet in einen kilometerlangen Park.

Am 14. Oktober 1957 führte ein Hochwasser durch tagelange starke Regenfälle zur Katastrophe. Grosse Teile des nördlichen Valencias wurden überschwemmt. Neben dem grossen materiellen Schaden, starben über achtzig Menschen im Hochwasser. An eine Änderung des Stadtentwurfs Valencias, drittgrösste Stadt Spaniens, war nicht zu denken. Es wurde der „plan sur“ ausgearbeitet und der Río Turia Anfang der 1960iger in einem anspruchsvollen Bauprojekt in ein neues Flussbett verlegt. Nun umfliesst er Valencia in einem grossen Bogen eben im Süden. Zurück blieb ein 7 Km langes und 200 m breites trockenes Flussbett. Das weckte Begehrlichkeiten und da in der Franco Ära ohnedies gerade die Küste zubetoniert wurde, vor allem zwischen Valencia und Alicante mit dem herausragenden Schandfleck Benidorm, lag es auf der Hand, auch das trockene Flussbett des Río Turia solide mit Beton zu befüllen. Der Politik schwebte eine monumentale Stadtautobahn vor, Immobilienentwickler sahen bereits Wohn- und Geschäftstürme in den Himmel ragen. Bei beiden lief wohl vor dem geistigen Auge ein Film von viel Geld ab, das direkt und indirekt abzukassieren war.

Die Ciudad de las Artes y las Ciencias Valencia eingebettet in einen kilometerlangen Park.

Die Ciudad de las Artes y las Ciencias Valencia eingebettet in einen kilometerlangen Park.

Erstaunlicherweise leitsteten die eigenwilligen Valencianer Widerstand. Das war in der Franco Ära keine ungefährliche Sache. Schnell fand sich ein Querulant, ohne lästigen Prozess, frühmorgens vor einem Erschiessungskommando, während deutsche Touristen an der Costa Brava noch den langen Abend ausschliefen. Als im November 1975 Spanien von Franco erlöst wurde, begann ein einzigartiger Vorgang, die „Transición“, ein unblutiger Prozess von der Militärdiktatur zu einer parlamentarischen Monarchie. Nach den Kapitalverbrechen, die in der Franco Ära verübt wurden und wenigen nicht Spaniern in vollem Ausmass bekannt sind, bemerkenswert. Da hätte es einige Rechnungen zu begleichen gegeben und dass diese offen blieben, rächt sich nun in einem nicht enden wollenden Franco Kult.

Die Ciudad de las Artes y las Ciencias Valencia eingebettet in einen kilometerlangen Park.

Die Ciudad de las Artes y las Ciencias Valencia eingebettet in einen kilometerlangen Park.

Valencianer begannen mit aller Vehemenz im trockenen Flussbett einen Park für die Stadt zu fordern, denn Valencia war eine einzige Betonwüste. In keiner spanischen Stadt gab es sowenig schattenspendendes Grün. Bereits am 1. Dezember 1976 waren die Valencianer erfolgreich: Ein königliches Dekret übertrug die Eigentumsrechte am Flussbett an die Gemeinde Valencia. Am 23. Februar 1981 wurde es aber noch einmal eng. Urgesteine des Franco Regimes versuchten einen Militärputsch anzuzetteln. Begeistert war der valencianische General Jaime Milans del Bosch dabei, der in der Stadt Panzer auffahren liess. Doch der Rückhalt war zu gering, das spanische Volk hatte die Freiheit geschnuppert, General Milans del Bosch kassierte 27 Jahre Haft, von denen ihm aber 18 erlassen wurden. Das war billig für ihn.

Die Ciudad de las Artes y las Ciencias Valencia eingebettet in einen kilometerlangen Park.

Die Ciudad de las Artes y las Ciencias Valencia eingebettet in einen kilometerlangen Park.

Nach dem Schock des 23. Februar wurde es im Oktober 1981 ernst: Architekten Ricardo Bofill erhielt den Auftrag, einen Masterplan für die Gestaltung eines Parks im gesamten Turia Flussbett zu entwerfen. Eine Vision des „Jardín del Turia“ wurde zu Papier gebracht. Beachtenswerte 100 Hektar Parkanlage sollten es werden und wurden es auch schliesslich. Eine einzigartige sieben Kilometer lange Anlage entstand, so geplant, dass sie der gesamten Bevölkerung der Stadt eine Oase der Ruhe oder Aktivität bieten konnte. Nach botanischen Eigenarten gegliederte Zonen entstanden, um der drückenden Sommerhitze der Stadt entfliehen zu können, aber auch umfangreiche Sportanlagen wurden errichtet. Der „Jardín del Turia“ wurde zu einem wohl einzigartigen Grossstadtpark und verlieh der so geschäftigen Stadt Valencia einen herrlichen Ort gleichsam der Ruhe und Aktivität. Ihn Frühmorgens als Standwanderung in einem ausholenden nördlichen Bogen Ost-West zu durchwandern, ist ein empfehlenswertes Unternehmen. Al final wird, für Kultur- und Architekturinteressierte der Höhepunkt, die „Ciudad de las Artes y de las Ciencias“ erreicht.

Die Ciudad de las Artes y las Ciencias Valencia eingebettet in einen kilometerlangen Park.

Die Ciudad de las Artes y las Ciencias Valencia eingebettet in einen kilometerlangen Park.

„Eine Gesellschaft ohne Visionen, hinterlässt eine Generation ohne Perspektiven.“*)

Wer plant, über die Ciudad de las Artes y de las Ciencias zu urteilen, sollte zuerst über den Satz des Polarforschers Arved Fuchs nachdenken: „Eine Gesellschaft ohne Visionen, hinterlässt eine Generation ohne Perspektiven.“ Nicht alles darf dem Rechenstift unterworfen werden. Eine Gesellschaft ist kein Unternehmen, sondern ein Zusammenschluss von Menschen, die ihr Leben mit Inhalt erfüllen wollen. Dazu gehört Kunst und Kultur, eine Idee über die Zukunft, dem Unsicheren das kommen wird Perspektive zu geben, um den Kurs halten zu können. Gesellschaften, die nicht verharren wollen, sondern verstanden haben, dass Evolution nicht nur etwas genetisches ist, müssen Werke schaffen, die anecken, zur Diskussion aufrufen, die Monotonie des Alltags durchbrechen, um fortschrittsfähig zu werden. Wer sich nicht entwickelt, geht unter. Entwicklung ist ein riskanter Aufbruch ins Ungewisse, zu Neuem, auch in der Architektur, das muss sein, denn ohne sie, gibt es keine Zukunft.

Turning Torso, Malmö, Schweden (1999–2004).

Santiago Calatrava – Turning Torso, Malmö, Schweden (1999–2004).

Irgendwie steht das so geschäftstüchtige Valencia immer im Schatten von Madrid, Sevilla oder seinen direkten Nachbarn wie Barcelona oder Alicante. Vielleicht liegt es daran, dass es zuviel ans Geschäftemachen denkt und zuwenig Sinn für das Schöngeistige übrig hat. Das Schattendasein als hässliche Neureiche, stösst dieser Stadt bitter auf. Ende der 1980igern kündigte sich in Spanien prestigeträchtiges an: 1992 beim westlichen Nachbarn Barcelona die Olympischen Spiele, beim östlichen Nachbarn Sevilla in eben diesem Jahr die Expo 92, die Weltausstellung und mittendrinnen Valencia in der Zange der Perspektivlosigkeit, das nichts vorzuweisen hatte. Das traf und rief die PP (Partido Popular) auf den Plan. Es entstand die Idee als finalen Abschluss des Jardín del Turia eine Stadt der Künste und Wissenschaften zu erschaffen. Reflexartig lief die PSOE (Partido Socialista Obrero Español) dagegen Sturm, die in der Opposition verharrte. Als sie das Ruder übernahm, sah sie das Thema anders, denn es bot ausgiebig Raum für Selbstdarstellung. Aus unterschiedlichen Perspektiven werden Dinge eben anders gesehen, der Blickwinkel macht es, vor allem der vertikale.

Barcelona – Torre de comunicacions de Montjuïc.

Barcelona – Torre de comunicacions de Montjuïc.

Torre de comunicacions de Montjuïc oder „Torre Calatrava“ – Olympia 1992 Barcelona.

Torre de comunicacions de Montjuïc oder „Torre Calatrava“ – Olympia 1992 Barcelona.

Das Duo Calatrava (* 28.7.1951, Valencia, Spanien) und Félix Candela Outeriño (* 27.01.1910, Madrid, Spanien – † 7.12.1997, Durham, North Carolina) wurde 1991 beauftragt, einen Entwurf für die geplante „Ciudad de las Artes y las Ciencias“ anzufertigen. Ganze 350 Tsd. plane Quadratmeter standen zur Verfügung. Genau nach dem Geschmack Calatravas, um gewagte Bauwerke zu errichten, die freistehend ihre Wirkung entfalten können. Jenen, denen der Stil Calatravas und des in Europa weniger prominente Félix Candela Outeriño geläufig war, wussten, da kommt spektakuläres, das Sprengkraft besitzen wird. Outeriño war zu Calatrava, der die Möglichkeiten der FEM (Finite-Elemente-Methode) bis an die Grenzen ausreizt, geradezu eine ideale Ergänzung, um ein Duo Infernal zu formen. Outeriño studierte an der Universidad Politécnica de Madrid und befasste sich dort mit experimentellen Techniken des Betonschalenbaus. Nach seinem Studium gründete er in Mexico das Betonbauunternehmen „Cubiertas Ala“ und hielt an der Universidad Nacional Autónoma de México eine Professur. Sein bekanntester Bau ist vielleicht der „Palacio de los Deportes“, der für die Olympischen Sommerspiele 1986 in Ciudad de México errichtet wurde. So unbekannt er in Europa sein mag, in Mexico steht sein Name für einen Wandel in der Architektur und „structural engineering“.

Palacio de los Deportes de la Ciudad de México.

Félix Candela Outeriño – Palacio de los Deportes de la Ciudad de México.

Valencia hatte es eilig. Die Bauarbeiten begann an der Ciudad de las Artes y las Ciencias zügig. Als erstes wurde El Hemisférico fertiggestellt und am 16. April 1998 eröffnet.

El Hemisférico Valencia – im Hintergrund das Museo de las Ciencias Príncipe Felipe, Pont de l'Assut de l'Or und rechts L’Umbracle.

El Hemisférico Valencia – im Hintergrund das Museo de las Ciencias Príncipe Felipe, Pont de l’Assut de l’Or und rechts L’Umbracle.

*) Arved Fuchs, Polarforscher. Zitiert aus einem Interview.

Bauen mit Santiago Calatrava Valls – Sadomasochismus für den Auftraggeber.

Das Bauen mit Santiago Calatrava Valls ist ein Vergnügen für jene, die an Schmerzen gefallen finden und sich gerne quälen lassen. Nicht nur die Bauwerke Calatravas sind radikal, optisch wie statisch im Grenzbereich, auch seine Beziehung zu Geld, wenigstens zu jenem der anderen. Es scheint den Meister nicht weiter zu interessieren. Waren für die Ciudad de las Artes y de las Ciencias 300 Mio. Euro budgetiert, wurden es im Endeffekt 1,2 Mrd. Euro, also inklusive des Budgets, das für Korruption ausgegeben wurde. Beschweren sollte sich niemand, denn jedem ist bekannt, wie es mit Calatrava endet: Immer in einem finanziellen Desaster. So war es beim Auditorio de Tenerife, später beim „Oculus“ in New York und all den anderen Projekten. Niemand sollte jammern und sagen, er wusste nicht, was kommen wird. Jedenfalls immer eine gute Gelegenheit, entsprechend Geld abzuzweigen.

Auditorio de Tenerife Santa Cruz de Tenerife.

Auditorio de Tenerife Santa Cruz de Tenerife.

Was mit den Unsummen entsteht, ist aber immer etwas, das niemanden kalt lässt. Calatravas Bauwerke polarisieren. Unverkennbar, der Meister ist Spanier, er baut intellektuelle Monumente, die sich auf freien Plätzen erheben, damit sie als Solitär wirken können. Sie setzen Zeichen. Daher sind die Werke Calatravas auch so gut zu fotografieren und beliebte Fotomotive. Dazu äusserte sich schon Stephan Braunfels, Schöpfer der Pinakothek der Moderne in München, in interessanter Weise. Calatrava wird jedenfalls geliebt oder gehasst, die Grenze ist messerscharf, dazwischen passt kein Blatt Papier. Ein Könner ist er, das kann niemand bezweifeln, denn er versteht sein Handwerk, die komplexen Strukturen, die nur durch die FEM zu realisieren sind, meisterlich. Immerhin hat er das an der ETH Zürich gelernt und das mit Bravour und Auszeichnung. Das unterscheidet ihn von der anstrengenden Selbstdarstellerin Zaha Hadid, die ihre Bauwerke nur skizzieren kann und der das tiefere technische Verständnis fehlt. Sie muss sich daher wohl in ein und demselben Thema in schmerzhafter Langeweile wiederholen. Die Pein der Umsetzung haben Architekten und Bauingenieure, deren Namen nie bekannt werden.

Auditorio de Tenerife Santa Cruz de Tenerife.

Auditorio de Tenerife Santa Cruz de Tenerife.

Calatrava baut im Grenzbereich, so extrem, dass es schon schwer ist, die Bauwerke dicht zu bekommen. Wer genau hinsieht, wird überall an den Bauwerken der Stadt der Künste und Wissenschaften Wasserschäden entdecken. Im Auditorio de Tenerife oder Palau de les Arts Reina Sofía arbeiten im weit geschwungenen Dach Pumpen, die eingetretenes Wasser, wie in einer Bilge am Schiff, ins Freie befördern, damit bei heftigem Regen das Dach nicht abbricht. Ein Steg als langer Wartungsgang führt durch diese Dächer, um nach dem Rechten zu sehen, ob es denn abbricht oder nicht. Dass solche anspruchsvollen Bauten höchste Qualität in Sachen Bauausführung und Material erfordern, ist selbstverständlich. Was passiert, wenn in derartigen Bauprojekten Korruption ein Thema wird, kann bei eingestürzten Brücken und anderem beobachtet werden. Das vom Auditorio de Tenerife abgekupferte Opernhaus Reina Sofía traf das gleiche Schicksal in Sachen Fassade: Fliesen der Aussenhaut begannen sich abzulösen, die komplette Fassade aus zehntausenden Fliessen mussten abgelöst und neu aufgebracht werden. Ein wahr gewordener Albtraum in Santa Cruz de Tenerife wie Valencia.

Korruption am Bau – irgendwie ganz normal, besonders in Spanien.

Wenn ein Gebäudekomplex statt 300 Mio. Euro al final „überraschender Weise“ 1,2 Mrd. Euro kostete, dann kann das schwerlich nur an Santiago Calatrava gelegen haben, der zugegeben Budgets lediglich als gut gemeinte Empfehlung sieht.

Rita Barberá Nolla (* 16.07.1948, Valencia, Spanien – † 23.11.2016, Madrid, Spanien) hatte das Vergnügen, von 1991 bis 2015 ununterbrochen Bürgermeisterin Valencias als Mitglied der PP zu sein. Da lassen sich solide und dichte Netzwerke aufbauen. Unter ihrer Agenda wurden einige Projekte realisiert, für die das moderne Valencia besonders bekannt ist, die aber auch Unsummen Geld verschlagen samt Budgetüberschreitungen: Ciudad de las Artes y de las Ciencias, der neue Yachthafen Marina Real Juan Carlos I für den America’s Cup, oder der Valencia Street Circuit. Deutschland kann das übrigens auch sehr gut, Stuttgart 21, BER, Elbphilharmonie, es ist also kein spanischen Leiden alleine.

America’s Cup im Hafen am Hafen von Valencia.

America’s Cup im Hafen am Hafen von Valencia.

Als Nolla abgewählt wurde, ereilte sie, was alle Menschen trifft, die überraschend und unvorbereitet ihre Macht verlieren: Es wurde von dritter Seite intensiv in ihren Amtsgebarungen gestöbert. Unvorteilhaft für die Meisten und auch bei der Ex-Bürgermeisterin kamen dubiose Geldflüsse ans Tageslicht. Sie wurde nach Madrid zu einer gerichtlichen Einvernahme geladen. Praktischer Weise erlitt sie am Abend vor dem Gerichtstermin im Luxus Hotel Villa Royal einen tödlichen Herzinfarkt. Ein recht normales gesundheitliches Problem bei Menschen, die einflussreiche Netzwerke zu Fall bringen könnten, wie schon Uwe Braschel oder Jeffrey Epstein feststellen mussten.

Formel 1 Rennstrecke Valencia Street Circuit.

Formel 1 Rennstrecke Valencia Street Circuit.

L’Umbracle – durch das Sonnendach in die Stadt der Wissenschaft und Künste.

L’Umbracle, el umbráculo, das Sonnendach, war von Santiago Calatrava als das Eingangstor zur Ciudad de las Artes y las Ciencias gedacht. Aber nur wenige Besucher nehmen das so wahr, denn der Weg durch L’Umbracle führt irgendwie nirgendwo hin, nicht zum gegenüber liegenden Palau de les Arts Reina Sofía und auch nicht hinunter zu El Hemisférico oder das Museo de las Ciencias Príncipe Felipe. Bösartige Zeitgenossen könnten es als glatte Fehlplanung bezeichnen. Um noch eines drauf zu setzen, ist der Weg durch el umbráculo im Sommer durchgehend gar nicht möglich, denn dann wird der östliche Teil durch die Freiluft Diskothek „L’Umbracle Terraza“ versperrt. Vor dieser beginnt eigentlich der „Paseo del Arte“, ein Skulpturenpark zeitgenössischer Künstler. Die gesamte Situation könnte barock als „ziemlicher Mist“ beschrieben werden, weshalb der strebsame Besucher, der akribische die gesamte Ciudad de las Artes y las Ciencias abarbeitet, meist recht alleine unter dem Dach verweilt. Das wiederum ist positiv.

L’Umbracle Valencia – Teil des Skulpturenparks an der Südost Seite.

L’Umbracle Valencia – Teil des Skulpturenparks an der Südost Seite.

Gross ist das Sonnendach jedenfalls und innen auch sehr schön. 55 fest stehende und 54 schwebende Bögen bilden es, die Schatten für gut hundert Palmen, Orangenbäume und mehr geben. Gewächse, die um Valencia auch in der Natur anzutreffen sind. Der Meister plante wohl, dass die 320 m, die sich beachtliche 60 m in der Breite ausdehnen, rasch zu durchschreiten seien, um den Hauptattraktionen zügig näher zu kommen, denn keine einzige Bank findet sich, um das Ambiente zu geniessen, schade. Auch ansonsten dürfte sich Calatrava nicht lange mit dem Objekt aufgehalten haben. Staunt normalerweise ein Statiker und Beton Schalungstechniker über seine Werke, kann es rein technisch als das langweiligste Objekt der Ciudad de las Artes y las Ciencias beschrieben werden, wenn auch das heimeligste. Da wäre mehr gegangen, denn auch die wenig spektakulären Skulpturen polieren L’Umbracle nicht auf.

L’Umbracle Valencia – Palmen, Orangenbäume und andere heimische Pflanzen wachsen unter dem Sonnendach.

L’Umbracle Valencia – Palmen, Orangenbäume und andere heimische Pflanzen wachsen unter dem Sonnendach.

Palau de les Arts Reina Sofía – einmal Oper wie in Santa Cruz de Tenerife.

Ohne Zweifel ist das Opernhaus Palau de les Arts Reina Sofía der technisch spektakulärste Bau der Ciudad de las Artes y las Ciencias. Es hat nur einen kleinen Schönheitsfehler: Es wirkt doch so, als ob Calatrava einmal richtig Kasse machen wollte, denn es sieht aus, wie die grosse Kopie des Opernhauses Auditorio de Tenerife in Santa Cruz de Tenerife. Letzteres wurde am 26. September 2003 eröffnet und zwar von Königin Sofia nebst ihrem Sohn Felipe. Das Palau in Valencia legt noch einen drauf und wurde gleich nach Sofía benannt, was höchste Zeit war, denn der Yachthafen für den America´s Cup wurde nach Juan Carlos I, Sofías Ehemann in Scheidung, alternden Don Juan, panamesischem Geldwäschespezialisten und Grosswildjäger auf Elefanten, im Nebenerwerb König, benannt. Das Palau de les Arts Reina Sofía wurde am 8. Oktober 2005 eröffnet, also 24 Monate nach dem Auditorio de Tenerife. Das Ganze ist natürlich nicht ehrenrührig, denn klauen bei sich selber ist erlaubt und steigert den Deckungsbeitrag. Beide Bauten haben aber auch sonst viel gemein: Bei beiden blätterte die Fassaden Keramik ab, was zu einer Totalsanierung dieser führte und auch beim Budget lief es ähnlich. Sollte die kleine Schwester in Santa Cruz de Tenerife ursprünglich 30 Mio. Euro kosten, 72 Mio. wurden es dann.

Auditorio de Tenerife Santa Cruz de Tenerife.

Auditorio de Tenerife Santa Cruz de Tenerife.

Nach diesen Gemeinheiten, sollte wieder Sachlichkeit einkehren: Das Palau de les Arts Reina Sofía ist ein technisches Meisterwerk wie auch architektonisch einzigartig. Einzigartig mit der Einschränkung, dass natürlich vorher das Auditorio in Santa Cruz abzureissen wäre. Was sich im Palau drinnen so alles abspielt, die Statik und so weiter, sollte hier nicht wiederholt werden, denn das kann im Artikel „Auditorio de Tenerife – Santiago Calatrava Valls.“ nachgelesen werden. Der gewogene Leser multipliziert die Angaben als Faustformel einfach mit zwei, das geht gut im Kopf und denkt sich immer einen anderen Namen dazu, dann hat er das Palau in Valencia. Nur bei der Anzahl der Säle muss nicht multipliziert werden.

Palau de les Arts Reina Sofía in der Ciudad de las Artes y las Ciencias Valencia.

Palau de les Arts Reina Sofía in der Ciudad de las Artes y las Ciencias Valencia.

El Hemisférico – das Auge der Wissenschaft mit Wimpernschlag.

El Hemisférico ist das kleinste und nach L’Umbracle wohl das technisch am wenigsten anspruchsvolle Bauwerk der Stadt der Künste und Wissenschaften. Aber es ist richtig knuddelig, so wie ein VW Käfer, klein und rund, fast will man es anfassen. Nicht umsonst suchten sich die Walt Disney Studios einen Volkswagen für ihre Serie „Herbie“ aus. Auf dem Parkplatz eines Shopping Centers platzierten sie allerlei schnittige Sportwägen und einen VW Käfer und genau zu diesem liefen die Kinder, um ihn anzusehen und anzufassen. Rund und klein ist eben vertrauensvoll und niedlich.

Eine Legende – Herbie der Walt Disney Studios.

Eine Legende – Herbie der Walt Disney Studios.

Zwischen dem monumentalen Palau de les Arts Reina Sofía und Museo de las Ciencias Príncipe Felipe gelegen, solidarisiert sich der Besucher des futuristischen Areals gerne mit El Hemisférico, tendiert doch der Mensch emotional mehr zum Schwachen. Klein ist El Hemisférico aber nur in Relation. In ihm befindet sich eine 1.900 m² grosse IMAX Leinwand, ein Planetarium und eine spektakuläre Lasershow. Damit das Bauwerk auch richtig zur Geltung kommt, stellte es Calatrava in eine 24.000 m² großen Wasserfläche. Die eigentliche Funktion der Wasserfläche, die noch nicht einmal einen halben Meter tief ist, sie soll als Spiegel wirken. Der Boden des Beckens wurde entsprechend ausgeführt. Frei stehend, dupliziert von einer Spiegelfläche, ergibt El Hemisférico ein fantastisches Fotomotiv, übrigens jenes der Ciudad de las Artes y las Ciencias, das am leichtesten zu fotografieren ist. Ein überaus wichtiges Kriterium in Zeiten von Instagram und daher ist dort auch der Menschenandrang am grössten. Etwas abseits sitzen am Wochenende gerne einheimische Modellbauer, die dort ihre ferngesteuerten Segelboote in See stechen lassen. Bei Flaute reicht es für den Bergungseinsatz die Hose einwenig hochzukrempeln.

El Hemisférico Valencia – im Hintergrund Palau de les Arts Reina Sofía.

El Hemisférico Valencia – im Hintergrund Palau de les Arts Reina Sofía.

Was El Hemisférico darstellen soll, interessiert Instagram Menschen meist wenig. Wichtig ist, dass die Nebensache, das eigene Konterfei, sich gut von der eigentlichen Hauptsache abhebt und einwenig Glanz dieser abstauben kann. Der ewige Kampf gegen die eigene Bedeutungslosigkeit. Calatrava, auch wenn er sehr umstritten ist, hat diesen Kampf schon früh gewonnen, indem er Monumente auf diese Welt stellte. Er verpackt in seine Bauwerke gerne Symbolik. El Hemisférico stellt ein Auge dar, ein Symbol, das von Wissenschaft, über Religionen bis zu Freimaurern in Abbildungen eine zentrale Rolle spielt. Es steht für das Göttliche, für das Allsehende, für Weisheit, Wissenschaft, das Forschende und mehr. Wenn sich eine Seitenwand von El Hemisférico öffnet, das „Augenlied“ nach oben schlägt, dann sieht der Besucher El Hemisférico in die Pupille. So einfach und doch spektakulär, ganz ohne Spezialeffekte. Das Auge ist ein Thema, das Calatrava nicht los lässt. Er verarbeitete es bei der PATH-Station New York City, das daher auch „Ocolus“ genannt wird, oder beim Auditorio de Tenerife, das, wenn auch nicht derart spektakulär, ebenso einen verführerischen Augenaufschlag drauf hat.

El Hemisférico – das Auge der Wissenschaft mit Wimpernschlag.

El Hemisférico – das Auge der Wissenschaft mit Wimpernschlag.

Museo de las Ciencias Príncipe Felipe – ein Walskelett im Flussbett.

Das Museo de las Ciencias Príncipe Felipe beheimatet das Wissenschaftsmuseum der Stadt der Künste und Wissenschaften. Es reiht sich vom Anspruch in Objekte wie beispielsweise das Museo Elder de la Ciencia y la Tecnología in Las Pamas de Gran Canaria ein und ist ebenso gut besucht. Zuviel an Wissenschaft sollte sich der Besucher nicht erwarten. Wer ein naturwissenschaftliches Gymnasium besucht hat, wird sich bereits ausgiebig langweilen. Daher wird das Museum auf intensiv von valencianischen Schulklassen besucht, die es als abwechslungsreiche Ergänzung zum Unterricht sehen. Es beinhaltet fixe Installationen, wie u.a. ein Foucaultsches Pendel, das doch schon mehr als abgegriffen ist und Wechselausstellungen, die sich aktuell mit dem Thema Klima befassen, wie könnte es auch anders sein. Der Besuch des Gebäudes sollte eher dem architektonischen Interesse dienen.

Museo de las Ciencias Príncipe Felipe – Walskelett in der Ciudad de las Artes y las Ciencias Valencia.

Museo de las Ciencias Príncipe Felipe – Walskelett in der Ciudad de las Artes y las Ciencias Valencia.

Santiago Calatrava Valls beschloss, das Museum in anspruchsvollem structural engineering als Walskelett anzulegen. Damit es wirkt, muss es von weitem betrachtet werden, denn mit seinen mehr als 40 Tsd. m² verbauten Grundfläche, ist es selbst für den Meister monumental. Entsprechend viel Raum bietet es im Inneren auf mehreren Stockwerken. Ein guter Blick auf das Museo de las Ciencias Príncipe Felipe eröffnet sich dem Besucher von der östlichen Freifläche vor dem Sonnendach L’Umbracle. Geeignet ist aber nur der spätere Nachmittag, sonst liegt das Museum im Gegenlicht.

Museo de las Ciencias Príncipe Felipe – Walskelett in der Ciudad de las Artes y las Ciencias Valencia.

Museo de las Ciencias Príncipe Felipe – Walskelett in der Ciudad de las Artes y las Ciencias Valencia.

Das structural engineering für das Bauwerk war derart anspruchsvoll, das Calatrava zwei interessante Unternehmen als Partner zur Umsetzung wählte: Necso und Fomento de Construcciones y Contratas, beides traditionsreiche spanische Unternehmen. Necso wurde bereits 1862 gegründet und war im Bereich „Cubiertas y Tejados“, also Dächer und Überdachungen, tätig. Mittlerweile firmiert es unter Acciona S.A. und ist ein Konglomerat an Unternehmen mit 30 Tsd. Mitarbeitern und wird im IBEX 35 geführt. Wer sich schon einmal mit der Fähre von Cádiz zu den Kanarischen Inseln aufgemacht hat, der war mit Trasmediterránea, einen Unternehmen der Gruppe, auf See unterwegs. Fomento de Construcciones y Contratas ist nicht minder traditionsreich, wurde 1900 in Barcelona gegründet und ist ein Gebilde aus Unternehmen, die sich von Müllrecycling bis hin zur Bauwirtschaft bewegen. Wie viele der grossen spanischen Unternehmen ist es immer noch zu einem guten Anteil in der Hand der Gründerfamilie und das erfolgreich. Das befand auch George Soros und erwarb 2014 Bezugsrechte für 25% der Aktien. Im folgte 2015 der Mexikaner Carlos Slim, der 2013, bevor IT und Internet explosiv ein zweites Mal die Börsen befeuerten, von Forbes als vermögendster Mann des Planeten gekürt wurde. Fomento de Construcciones y Contratas wird wohl in Zukunft keine Probleme mehr haben, Zugang zu erstklassigen Bauprojekten zu bekommen.

Museo de las Ciencias Príncipe Felipe – Walskelett in der Ciudad de las Artes y las Ciencias Valencia.

Museo de las Ciencias Príncipe Felipe – Walskelett in der Ciudad de las Artes y las Ciencias Valencia.

El Ágora – ein Ort für Feste.

Bei „El Ágora“ könnte der Begriff „Agoraphobie“, im Volksmund die „Platzangst“, oft verwechselt mit Klaustrophobie, in den Sinn kommen, beispielsweise die Angst vor weiten Plätzen oder auch grossen Menschenansammlungen. Der Begriff stammt aus dem antiken Griechenland, in dem er für den zentralen Platz einer Stadt stand, auf dem Versammlungen, Feste und die Markttage stattfanden. Und das sollte auch „El Ágora“ in der Ciudad de las Artes y las Ciencias sein. Doch daraus wurde nichts, der Ort wurde zum kapitalen Flop. Stehen im benachbarten El Oceanográfico die Menschen Schlange, öffnen sich die Tore der Mehrzweckhalle manchmal nur zweimal pro Jahr. Es wurde für gut befunden, dass ein Areal dieser Zielsetzung und Grössenordnung eben eine Veranstaltungshalle zu haben hätte. Was sich darinnen abspielen solle, das überlegte sich niemand. Nun steht es da und fristet das Schicksal vieler spanischer Bauten, die drauf setzen, erst einmal gebaut, wird es schon genutzt werden. Ein Denkmuster, das im spanischen Geist tief verwurzelt ist, der so gar nicht das Talent zur Planung besitzt. Es ist immer wieder überraschend, wie es Carlos primero gelang, das grösste Reich zu formen, das dieser Planet je gesehen hatte und hat. Zu kämpfen im engsten Sinne hatte er ordentlich, was ihn von einem zum anderen Staatsbankrott führte, auch nichts neues in Spanien also.

El Ágora Valencia im frühen Morgenlicht.

El Ágora Valencia im frühen Morgenlicht.

Für El Ágora, das sehr unschön eingeengt zwischen Pont de l’Assut de l’Or und dem El Oceanográfico liegt, interessiert sich so gut wie kein Tourist. Nicht nur, da es immer zu hat, es ist auch kaum formatfüllend zu fotografieren, so kein solides Weitwinkel auf der Kamera aufgesetzt wurde. Immerhin ist das ellipsenförmige Gebäude stattliche 70 m hoch, steht auf fast 5 Tsd. m² und bietet 6 Tsd. Menschen Sitzplätze an. Durch einen aufwändigen Mechanismus, kann ein Teil des Dachs geöffnet werden.

El Ágora Valencia im frühen Morgenlicht.

El Ágora Valencia im frühen Morgenlicht.

El Oceanográfico – dem Wasser entstiegen von Kunst geformt.

Das L’Oceanogràfic ist das Werk Félix Candelas, bei dessen technischer Realisierung die Ingenieure Alberto Domingo und Carlos Lázaro mitwirkten. Diese sollen hervorgehobene werden, da bei komplexen Bauwerken die Galionsfiguren den gesamten Ruhm kassieren, eine Umsetzung des Vorhabens aber nur in Kooperation mit hochqualifizierten Ingenieuren möglich war. Jedenfalls zeigt Candela hier woher er kommt: Aus dem experimentellen Betonschalenbau. Die Umsetzung des Bauwerkes, das passend eine Seerose symbolisiert, dauerte geschlagene acht Jahre und wurde erst 2002 eröffnet.

El Oceanográfico Ciudad de las Artes y las Ciencias Valencia.

El Oceanográfico Ciudad de las Artes y las Ciencias Valencia.

Wurde bei Calatravas bemängelt, aus dem Auditorio de Tenerife einfach Palau de les Arts Reina Sofía in gross gemacht zu haben, muss sich der Architekturfan doch beim L’Oceanogràfic mehrfach die Augen reiben. Auch Candela liebt aus Klein mach Gross. Interessierte mögen sich das Restaurant des Hotel Casino de la Selva in Cuernavaca, Mexico ansehen, das ebenfalls von Candela entworfen wurde. Ohne grossen Sachverstand werden sie feststellen, ja, das ist L’Oceanogràfic in klein. Aber, das reicht noch nicht, ein Blick nach Postdam zur „Seerose“ von Ulrich Müther offenbart, noch ein L’Oceanogràfic. Müther entwarf und baute in seiner Karriere über siebzig derartige doppelt gekrümmte Beton-Schalentragwerke. Wie auch immer, eine schwache Performance von Candela, der bei Baubeginn bereits 84 Jahre alt war und die Eröffnung nicht mehr erlebte. In diesem Zusammenhang und ähnlichen stellt sich immer wieder die Frage, warum Ikonen beauftragt werden, deren Kreativitätspool offensichtlich bereist ausgetrocknet ist und nicht jungen Könnern eine Chance geboten wird, die Bühne zu betreten. L’Oceanogràfic, mehr vom bisherigen, nicht originell, noch nicht mal eine Fussnote der Architekturgeschichte.

Seerose Potsdam entworfen von Bauingenieur Ulrich Müther.

Seerose Potsdam entworfen von Bauingenieur Ulrich Müther.

Bei den Besuchern kommt El Oceanográfico jedenfalls an, sie stehen Schlange. Gerne tituliert man sich in Spanien auch gerne mal als das grösste Aquarium weltweit, in der Tat ist es das grösste Europas. Grösse alleine macht es aber nicht, da gibt es noch den Faktor Qualität. Wen die imposanten Daten des Aquariums interessien, der findet in Wikipedia alle Details dazu, die hier nicht wiederholt werden sollen.

Pont de l’Assut de l’Or – knisternde Spannung Valencia überragend.

Die Schrägseilbrücke Pont de l’Assut de l’Or, überspannt das ehemalige Flussbett des Río Turia in einer Länge von 180 m. Und damit diese Brücke der Ciudad de las Artes y las Ciencias, offensichtlich von Calatrava entworfen, auch noch mehr macht, als nur zwei Ufer über einem trocken gelegten Flussbett zu verbinden, setzt sie ein klares Zeichen: 125 m über dem Meeresspiegel, hier ist der höchste Punkt Valencias! Der Meister baut eben Monumente, zufällig ist nichts. Mit 60 Mio. Euro verschlang das Werk ein Fünftel des ursprünglich geplanten Gesamtbudgets für die Stadt der Künste und Wissenschaften. Hoch hinaus kostet eben. Der Architekturinteressierte kann sich jedoch der Ästhetik dieses Bauwerkes kaum entziehen. Die Schönheit und Finesse ist etwas für Kenner. An einem einzigen konkaven Pylon wurden 29 parallel weit auslaufende Zugseile verankert, welche die Last der Fahrbahn tragen. Als Gegenkraft wird der Pylon lediglich von zwei doppelten Zugseilen in spitzem Winkel stabilisiert, welche alleinig die Gegenkraft bilden. So konnte der Pylon spektakulär aus der Mitte asymmetrisch zum Westufer gesetzt werden. Die optische Spannung die so erzeugt wird ist knisternd und visualisiert die enormen Kräfte, die auf den Zugseilen lastet. Vergleiche mit einer Harfe kommen in den Sinn, subtil, die Stadt der Künste. Technisch versierte Besucher des Areals, die minimalistisch bestimmte Bauwerke lieben, könnten die Pont de l’Assut de l’Or für das schönste Bauwerk dort am Río Turia befinden.

Pont de l'Assut de l'Or – knisternde Spannung Valencia überragend.

Pont de l’Assut de l’Or – knisternde Spannung Valencia überragend.

En resumen.

Auf den ersten Blick ist die Ciudad de las Artes y las Ciencias ein spektakuläres, futuristisches Ensemble und nichts anderes wird der übliche Tourist empfinden und bestätigen. Jene, die sich mit Architektur aus Passion befassen, müssen aber festhalten: Calatrava und Candela haben sich (fast) nur wiederholt. Für Architekten, die ein derart prestigeträchtiges Projekt gestalten dürfen, eine Bankrotterklärung. Schöner lässt sich das nicht sagen. So hervorragend die Objekte im Einzelnen auch sein mögen, sind sie doch keine Unikate, keine Haute Couture mehr, nur gefällige Wiederholungen, Konfektionsware nach Mass. Einem Stephan Braunfels oder Tadao Andō wäre das nicht passiert. Deutsche und japanische Disziplin, Spanier sind da lockerer. Woran lag dieses Kreativitätstief? Bei Candela war es mit Sicherheit das Alter, denn nicht nur dem Körper sondern auch der originären Kreativität haucht die Zeit das Leben aus. Was war es bei Calatrava, das schnelle Geld, eine Schaffenskrise, Zeitdruck? Heraus sticht nur die Pont de l’Assut de l’Or, die aber dafür mächtig, feinsinnig und elegant.

Tadao Andō im Jahr 2014 (* 13. September 1941, Minato-ku, Osaka, Japan).

Tadao Andō im Jahr 2014 (* 13. September 1941, Minato-ku, Osaka, Japan) – asketisch in den Bauwerken und im Leben.

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