Trailrunning, ein Sport für Puristen: Die Natur, Du und sonst nichts.
Trailrunning ist etwas für Individualisten und Puristen. Ein Sport, eher ein Naturerlebnis in sehr ursprünglicher Bewegung. So, wie schon der Urmensch grosse Distanzen überwunden haben muss, laufend und wenn es ganz steil wird oder Erschöpfung aufkommt, auch mal einwenig gehen. Es ist kein Marathon auf der Strasse, bei dem eine Passage, die gegangen wird, einem Scheitern gleich kommt. Es geht um etwas anderes: Körper und Natur intensiv zu spüren, am besten ganz alleine mit seinen Gedanken. Nicht alles muss besprochen und fotografiert werden, nicht immer muss Musik die Ohren beschallen. Es tut gut seinen Atem zu hören, zu fühlen wie das Herz kräftig pocht, der Natur zuzuhören, Sonne, Wind oder Regen auf der Haut zu spüren. Momente des intensiven Seins, die so wertvoll sind, dass sie nicht ohne Anstrengung zu haben sind. Die erlebte Euphorie kann nicht beschrieben nur empfohlen werden. Mentales Doping für eine Welt, die damals wie heute nie eine leichte war und sein wird.
Arco de las Peñitas – ¡Vamos al espectáculo!
Es geht zum Arco de las Peñitas auf Fuerteventura, ein Naturspektakel in pittoresker Landschaft. Für ambitionierte Trailrunner ist das ein Aufwärmlauf. Lediglich rund 10 Km und 200 Höhenmeter sind es. Kein Grund, einen abschätzigen Blick auf diesen Trail zu werfen. Im oberen Teil des Barranco de las Peñitas geht es durch ein Gemisch aus tiefem Kies und Sand, am Schluss heisst es noch einwenig klettern. Das alles geht in die Beine. Und auch wenn früh gestartet wird, spätestens am Rückweg um 10 Uhr vormittags wird der Trailrunner nach dem Staudamm Presa de las Peñitas von drückender Schwüle empfangen, die dem Kreislauf zusetzt. Dazu bläst der Nordost Passat als unangenehmer Gegenwind der es irgendwie nicht schafft, die feuchte Hitze aus dem Tal zu fegen. 10 Uhr wird es wohl bei den Meisten werden, denn wer schon einmal an diesem wundersamen Ort war weiss, eine Stunde vergeht dort wie im Fluge beim Sammeln der Eindrücke.
Morgenfrische – bei Sonnenaufgang durch den Barranco de las Peñitas.
Still und frisch ist es im Ort Vega de Río Palmas um 6:30 Uhr. Es wird gerade erst hell. Die Dämmerung ist kurz so nahe des Äquators am 28. Breitengrad. Die Sonne stieg noch nicht aus dem Atlantik und schon gar nicht über die rund 700 m hohen Gipfel des basaltischen Zentralmassivs der ansonsten flachen Wüsteninsel. Gute Laufbedingungen. Die wenigen Menschen, die in Vega de Río Palmas leben, schlafen noch. Touristen lassen sich nur zu späterer Zeit blicken, um schnell einen Blick auf das älteste Heiligtum des kanarischen Archipels zu werfen: Die Virgen de la Peña, eine gotische Statuette, die das geistliche Gefolge des Normannen Jean de Béthencourt 1402 im Gepäck hatte.
Wer aus dem Norden kam, konnte auf der traumhaft angelegten FV-30 über den Morro Velosa (662 m) den Ausgangspunkt erreichen. Der ist früh morgens in dichten Nebel gehüllt, es nieselt, Scheibenwischer und Licht an. Kaum vorstellbar, dass hier um 10 Uhr stahlblauer Himmel blitzt und sich Touristen drängen. So ist er gemeinhin bekannt. Frühaufsteher sehen die Welt anders, ungeschminkt, facettenreicher, eindringlicher.
Es geht auf den markierten Camino de la Peña hinunter in den Barranco de las Peñitas. Der Barranco empfängt den Läufer in monochromen Terrakotta. Frühmorgens eine angenehme Augenweide, fast heimelig, Intimität entsteht im einsamen Canyon. Der Wasserlauf breitet sich wie ein niederländisches Gemälde aus.
Angenehm kühl und windstill ist es, genau richtig. Besonders dem Städter fällt die ungewohnte Stille auf. Sie wird nur von bellenden Hunden durchbrochen die anschlagen, wenn Fincas passiert werden. Bald verlässt die Markierung des Wanderweges den Barranco und führt auf eine Asphaltstrasse hinauf. Der Trailrunner folgt aber dem Barranco weiter, durchquert einen mannshohen Wasserdurchbruch unter einer Strasse. Es kann nichts falsch gemacht werden: Immer dem Wasserlauf nach. Nun wird es einsam, der Trail tief, die Palmen dichter, die Schritte anspruchsvoller. Spätestens jetzt weiss der Enthusiast, warum er in der Dunkelheit beschloss, aus dem Bett zu steigen und wieder einmal aufzubrechen, ins intensive Leben.
Eine Asphaltstrasse quert, wieder unten durch, der Trailrunner ist mit dem Camino de la Peña erneut vereint. Jetzt wird es richtig schön. Es geht Richtung Presa de la Peña zur Cueva del Alcalde. Die ersten Sonnenstrahlen zeichnen sich auf den Palmenspitzen ab, ein Hain aus Schilf wird passiert, es ist zu spüren, hier wird es mittags noch heiss und schwül werden. Eben und flach, kurvenreich geht es schnell dahin. Blicke hinauf zum Mirador de las Peñitas und Mirador de Fénduca tun sich auf. Es rollt. In der nahen Ferne zeichnet sich ein massiver V-Einschnitt im Tal ab: Die Cueva del Alcalde.
Cueva del Alcalde – die Höhle des Bürgermeisters.
Linker Hand taucht eine Schlammwüste auf. Das ist der verlandete Staudamm Presa da las Peñitas. Eines der gescheiterten Projekte der Franco Ära, mit dem aus Fuerteventura eine blühende Insel werden sollte. So sieht das aus, wenn Ideologie über Vernunft gestellt wird.
Der Trail liegt mittlerweile in sanftem Streiflicht, der Staudamm wird passiert und die Cueva del Alcalde taucht auf. Der Name ist wenigen bekannt, auch nicht den Insulanern, aber so steht es in der Mapa Topográfico Nacional de España 1093-II eben geschrieben. Das ist amtlich. Ein interessanter Name, was wohl Menschen bewog ihn für diese Naturschönheit zu vergeben. „Alcalde“, „Alacant“, „almuerzo“, „almacén“ – immer, wenn etwas mit „al“ beginnt ein solides Indiz, dass es sich um ein Relikt aus der maurischen Zeit handelt, welche Teile der iberischen Halbinsel im wahrsten Sinne des Wortes zum Blühen brachte, kulturell wie landwirtschaftlich.
Die Cueva del Alcalde ist wunderschön. Wasser schliff in das harte Basaltgestein, ein Intrusivkomplex, Becken, durch die selbst im Hochsommer auf der scheinbar so trockenen Insel Wasser plätschert. Zu ihnen kann abgestiegen werden. Das lohnt, nun sollten sie aber noch passiert werden, denn erst wenn die Sonne aufsteigt, zeigt sie ihre wahre Schönheit. Eine Sache für den Rückweg. Dort liegt auch die Ermita de la Peña, nahe der in einer Höhle die Statuette Virgen de la Peña vor maurischen Sklavenjägern versteckt wurde. Vor allem der nordafrikanische Pirat Xabán Arráez machte den Kanaren das Leben schwer. Er brannte die erste Hauptstadt des kanarischen Archipels, Betancuria auf Fuerteventura unweit des Trails, 1593 nieder. Er überfiel sogar britische Küstenorte, seine Kollegen niederländische. Irgendwie scheint das in Ordnung zu gehen. Die Normannen, Kastilier, Portugiesen und Engländern waren auch nicht gerade zimperlich.
Der Trail schmiegt sich nun an die Basaltwand, halb natürlich, halb angelegt. Es geht Richtung Mal Paso. Für Alpenländer kein Problem, manche fühlen sich laufend nicht ganz wohl. Sehr tief geht es nicht hinunter, reichen würde es allemal, aber er ist breit. Trotzdem aufpassen. Weiter unten zeichnet sich bereits die Palmenoase Mal Paso ab. Die ist mit ihren Gavias im überraschend üppigen und fruchtbaren Boden im Streiflicht nicht nur attraktiv, sonder auch bei Hollywood beliebt. Ridley Scott drehte dort, wie auch in Cofete, für den Film „Exodus“.
Einwenig klettern – hinauf zum Arco de las Peñitas.
Kurz bevor es hinunter nach Mal Paso geht, wird in den Barranco del Rodeo abgebogen. Eine gute Idee wäre auch, dem Weg hinunter zu folgen und durch den Barranco del Mal Paso vorbei an der schönen Palmenoase Madre del Aqua und über das Felsentor Peña de la Hordada nach Ajuy zu laufen. Aber jetzt hinein in den Barranco del Rodeo. „El rodeo“, der Umweg, ein interessanter Name und ganz treffend, denn der Arco de las Peñitas könnte aus Vega de Río Palmas auch deutlich einfacher erreicht werden. Auf unmarkiertem Weg geht es in den engen Barranco Richtung Betancuria. Der Weg verliert sich und nun heisst es sich seinen Pfad zu suchen. Es ist hilfreich zu wissen, wo denn nun der „arco“, der Bogen, liegt. Denn auszumachen ist er nicht. Er versteckt sich so gut, dass er sich erst zeigt, wenn direkt vor ihm gestanden wird. Das ist gut so.
Mit laufen ist nun Schluss. Je nachdem, was sich der Trailrunner zutraut, heisst es irgendwann die Direttissima aufwärts, sehr griffig, nicht sehr steil, die Hände braucht es dennoch, oder einige Schleifen in der Felsflanke ziehen. Das ist zu schaffen. Eine auslaufende Mulde in der Felswand wird erreicht und da ist er, der Arco de las Peñitas. Zu sehen ist er dennoch nicht. Erst, wenn sich der nordwestliche Felsflanke genähert wird, ist er plötzlich vor dem Trailrunner. Rund fünf Meter ist er hoch, immer liegt er im Schatten. Wer in ihn hinein tritt, dem tut sich eine grandiose Aussicht auf. Knapp hundert Meter unter ihm schlängelt sich der Barranco del Rodeo, also einwenig Abstand halten. In der Ferne liegt die Küste von Ajuy. Herrlich ist es, in der Regel einsam, frühmorgens ganz sicher.
Ein leichter Wind ist zu spüren. Der thermische Passatwind, der den Rückweg etwas erschweren wird, macht sich bereits bemerkbar. Je mehr es gegen Sonnenhöchststand geht, desto heftiger wird er werden. Der Mäusebussart, ein fester Bewohner der Barrancos von Fuerteventura, beginnt die Thermik zu nutzen und sich an den Hängen in die Höhe zu schrauben. Die elegante, wendige Flugtechnik ist bemerkenswert und wirkt so leicht. Seine schrillen Schreie durchziehen die Stille. Abenteuerfeeling. Wunderbar ist es hier, die Eindrücke, die Natur und so friedlich, solange der Mäusebussart nicht Jagd auf einen macht.
Wer es sich zutraut, sollte noch gut 150 Höhenmeter weiter hinauf auf den Pico de la Aquililla (423 m) aufsteigen. Die Rundumsicht ist fantastisch. Den Blick nach Westen gerichtet lieg die spektakuläre Westküste rund um Ajuy zu Füssen, zur linken der Presa de las Peñitas und zur rechten der Felsriegel, in dem sich der Arco de las Peñitas versteckt.
Ein Selfie – das muss sein!
Ein Selfie, das muss wohl sein, in der heutigen narzisstischen Zeit. Die Menschen scheinen zu vergessen, dass nicht ihr Gesicht, das sie in die Kamera halten, die Attraktion ist, sondern das, was sich hinter ihnen abspielt, beispielsweise der Arco de las Peñitas. Warum nicht einmal so, dezent und die eigene Person richtig in ihrer Bedeutung eingeordnet.
Die Hitze kommt – retour nach Vega de Río Palmas.
Es geht zurück. Bei der Ermita de la Peña sollte gestoppt werden, an der Cueva del Alcalde und zu den Basaltschliffen abgestiegen werden. Nun ist die Sonne hoch genug. Das helle grau beginnt zu leuchten und das Wasser spiegelt den Himmel wider. Eine beeindruckende Szene, kein Windzug ist zu spüren, denn der Staudamm hält den Nordost Passat ab, der schon Fahrt aufnimmt.
Es geht weiter in den oberen Teil des Barranco de las Peñitas hinein. Das Grün der endemischen kanarischen Palme zeichnet sich nun gegen den blauen Himmel ab. Nichts mehr lässt an das Terrakotta Monochrom des frühen morgens erinnern. Kaum ist die Geländestufe am Staudamm passiert, bläst der Nordost Passat ins Gesicht, so nicht gerade Calima, Wind aus der Sahara, auf der Insel das Klima bestimmt. Aber dann wäre es ohnedies schon um 9 Uhr zu heiss zum Laufen
Geht es zum Schilfgürtel, merkt der Trailrunner, wie feucht es unter der Oberfläche des Barranco sein muss. Das ganze Jahr fliesst dort Wasser. Trotz des Passatwindes macht sich eine extreme Schwüle breit, die das Atmen schwer macht. Werden die Fincas passiert, bellt kein Hund mehr. Ihnen dürfte es mittlerweile schon zu heiss sein, um das Anwesen zu verteidigen. Siesta liegt in der Luft.
Beine ausstrecken – im Patio des „Don Antonio“.
Der Trailrun zum Arco de las Peñitas ist keine Herausforderung. Das macht nichts, denn die Eindrücke, die gesammelt werden, sind nachhaltiger, als jede Statistik in der Fitnessapp. Trailrunning ist eben mehr, es ist nicht nur laufen im Gelände. Wer aber am Pico de la Aquililla war, am Arco de las Peñitas herum gestiegen und in der Cueva del Alcalde zu den Basaltschliffen abgestiegen ist, bei dem kam schon etwas zusammen.
Wenn sich die Mittagshitze in Vega de Río Palmas breit macht, dann bietet sich das „Don Antonio“ an, eines der vier Lokale, die der deutsche Fotograf Reiner Loos in der Gegend betreibt. Allesamt angesiedelt in historischen Gebäuden, die liebevoll restauriert wurden. Im Antonio sitzt es sich herrlich im Patio. Eine schattige Oase in prächtigem Grün, dicht bewachsen. Irgendwie will man gar nicht mehr gehen, so angenehm ist es.
Cómo llegar.
Der Arco de las Peñitas soll kein touristisches Fastfood werden: Schnell hin, Selfie schiessen, seinen Namen einkratzen und wieder weg. Es soll ihm nicht so wie dem herrlichen Barranco de los Encantados, dem Verzauberten, ergehen, der mittlerweile durch hunderte Ritzungen zerstört wurde.
Die Mapa Topográfico Nacional de España 1093-II zur Hand nehmen und seinen eigenen Weg suchen. Nur was mit Anstrengung erreicht wird, ist auch geschätzt. Der Arco de las Peñitas ist ein grandioser Ort. Das soll er bleiben, einsam und unberührt von Menschenhand. Nur die Natur, die ihn geschaffen hat, soll Hand anlegen: Der Wind von Fuerteventura, die subtropischen Regengüsse, die Sonne. Wenn wir alle, die das hier lesen, nicht mehr sein werden, dann wird es den Arco de las Peñitas wahrscheinlich immer noch geben. Er wird dann aber ganz anders aussehen. Wie, das sollten wir der Natur überlassen, denn die hat das erschaffen, was uns am Arco del las Peñitas so in den Bann zieht. ¡No toques! und das ist ein Imperativ.
Weiter laufen.
Trailrunning Fuerteventura – hoch über dem Valle de Tetir.
Trailrunning Fuerteventura – Filo y Mirador de Fénduca, estupendo.
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Trailrunning Fuerteventura – Vulkan Sprint, bei Sonnenaufgang auf den Buyoyo.
Runners delight – andalusischer Küsten Trail, brutal schön.
Weiter lesen.
Der Ort Vega de Río Palmas auf Fuerteventura.
Barranco de las Peñitas nahe Vega de Río Palmas.
Risco de las Peñas nahe Vega de Río Palmas.
Mirador de Fénduca nahe Vega de Río Palmas.
Der Ort Tindaya auf Fuerteventura.
Barranco de Los Encantados nahe Tindaya Fuerteventura.
Bildnachweis .et.al.
Bilder: © Dr. Ingmar Köhler.
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Und wie immer: Keine Werbung, keine Promotion, keine Zuwendungen oder Abmachungen welcher Art auch immer von und mit Dritten. ¡Viva España! ist ein Leuchtturm, der aus dem Nebel des Mainstreams ragt, ein Monument der Ratio, der aus eigener Kraft und ohne Interferenzen strahlt.