Königliche Stadt und zwei Basken, deren Leben die Welt veränderte.
Getaria ist eine Stadt der Provinz Gipuzkoa in der Autonomen Region Baskenland. Der Hafen der Stadt taucht in griechischen Karten auf, von Römern wird er beschrieben. Systematisch wuchs Getaria aber erst ab 1209, als König Alfonso VIII. von Kastilien beschloss, diese Ansiedelung zur Stadt zu entwickeln. Gegen die ewige Bedrohung durch Frankreich, hatte sie Bedeutung durch ihre Lage am Golf von Biskaya. Dass ein Castellano Gründungsvater der Stadt sein solle, schmeckt den Basken wenig. Verständlich, denn ein Stadtrecht wird üblicherweise verliehen, wenn sich ein Dorf aus eigener Kraft vielversprechend entwickelte. Es ist zunächst nur ein Verwaltungsakt und nicht mehr.
Getaria ist bei spanischen und französischen Sommertouristen angesagt. In dieser Zeit ist es brechend voll. Die Stadt liegt nur 20 Km vom schicken San Sebastian entfernt. In Mitteleuropa ist Getaria kaum bekannt. Zwei Persönlichkeiten, die antraten, die Welt zu verändern und in Getaria ihr Leben energisch begannen, kennen aber Millionen: Cristóbal Balenciaga und Juan Sebastián Elcano. Balenciaga ist eine Ikone für jene, die sich für Mode interessieren. Elcano ist allen bekannt, die sich für die Entdeckung der Welt interessieren. Er umsegelte als erster capitán, mit der verbliebenen Mannschaft, den Planeten. Es war nicht der Portugiese Fernão de Magalhães, denn der schaffte es nur bis auf die Philippinen. Seine Ambitionen, die Inselgruppe nun als kastilischen Besitz zu übernehmen, kam bei den Einwohner nicht sehr gut an. Er beendete dort sein Leben. Elcano übernahm und lief am 6. September 1522 wieder in Sanlúcar de Barrameda nahe Sevilla ein. Von dort brachen Elcano und Magalhães gemeinsam auf. Ihre nautischen Aufzeichnungen lieferten den ersten empirischen Beweis, dass die Erde rund ist. Zu Ehren Juan Sebastián Elcano, ist der 6. September ein bedeutender Feiertag in der Autonomen Region Baskenland.
Zeitig morgens in die Pedale und mit dem Bike von Zumaia über die kurvige Küstenstrasse nach Getaria. Die ist viel befahren, denn aussichtsreich und schön. Bevor die Touristen aufbrechen, ist es noch recht ruhig. Nur einige Gastronomie Lieferanten rasen mit ihren Kühlwagen hirnlos über die Küstenstrasse. Wenigstens halten sie Abstand. Zwei Meter ist seit Ostern 2022 Pflicht in Spanien. Wer das nicht einhält und von der Guardia Civil Trafíco erwischt wird, dem ist eine horrende Strafe sicher. Wenige Kilometer sind es nach Getaria, ein kleiner Gegenanstieg und dann taucht der westliche Strand von Getaria, Gaztetape Hondartza, auf. Die östliche Sonne weckt in gerade, denn er ist von Hügel umgeben und nach Norden ausgerichtet. Getaria liegt noch verschlafen. Die Sonne steht gut, um den Ort in sehenswertes Licht zu tauchen. Ideale Zeit, das casco zu erkunden, denn das Cristóbal Balenciaga museoa, wie das Museum im Baskischen bezeichnet wird, öffnet erst um 11:00 Uhr. Gut, früh dort zu sein, denn in der Hauptsaison ist es gerne überlaufen.
Getaria – Walfang und eine Seeschlacht mit den Franzosen.
Zieleinlauf in Getaria und durch den Hafen radeln. Der liegt am Felsen Mont San Anton, dessen Gipfel nach Balenciaga am Programm steht. Vom Hafen brachen Basken ab de 14. Jhd. zum Walfang nach Neufundland, Grönland und Island auf. Sie waren nicht nur mutige sondern auch erfahrene Seeleute. Den Kai entlang und dann hoch ins casco. Dort wird wie selbstverständlich auf das erste von ganzen drei Monumenten für Juan Sebastián Elcano (* 1486 o. 1487, Getaria – † 4.8.1526, auf See) gestossen. Bei tiefblauen Morgenhimmel weisst er den Weg auf die weite See hinaus.
Gegenüber Richtung Südosten die Kirche San Salbador eliza aus dem 12. Jhd., die dicht umdrängt kaum über die Häuser des Ortes ragt. Morgens ist sie noch geschlossen.
Aufwärts durch die engen Gasse, das Restaurant elcano ist noch geschlossen. Eine baskische Fahne hängt aus einem Fenster. Recht üblich auch, dass auf Häuserdächer ein überdimensionales „libertad“ gestrichen wurde. Wohlweisslich in castellano, denn an die wäre es gerichtet. Mit dem Baskenland hat sich bereits jeder einen Stein eingetreten. Die Römer wurden abgewehrt, danach die Mauren und mit Madrid wird man auch noch fertig werden. Das wird schon.
Die engen Gassen lichten sich, die Stadtverwaltung, davor ein Platz und natürlich wieder ein Elcano Denkmal.
Am besten nun gleich, bevor es ins Museum geht, die Elcano Trilogie voll machen. Dann wäre das einmal erledigt. Jetzt wird es richtig gross, ein echtes Monument wartet, das erklommen werden muss.
Die Treppen hinauf, eine wunderbare Rundumsicht wartet, auf San Salbador eliza, das Balenciaga Museum, den Stadtstrand Markobe Hondartza und auf den Mont San Anton hinüber samt Hafen.
Aber nicht nur die Aussicht geniessen, sondern auch das recht eigenwillige Monument näher studieren, denn für deutsche Touristen wird es nun interessant: Auf einer Tafel finden sich die Namen all jener eingraviert, die in Sanlúcar de Barrameda mit Elcano und Magalhães aufbrachen. Als letztes in der Liste findet sich der Eintrag „HANS VARGUE (1526) ALEMANIA“. Da wurde wohl der Name einwenig ins Spanische gebracht, was üblich war. Namen, die mit einer Jahreszahl geschmückt sind, zählen zu den Glücklichen, die überlebten und 1522 wieder nach Sanlúcar de Barrameda zurück kehrten. Weiter oben ist ein „HANSE AACHEN (AKISGRAN)“ zu finden. Aachen wurde wohl nicht in Deutschland verortet. „HANSE“ zählt nicht zu den Glücklichen. Er trägt keine Jahreszahl.
Elf Uhr, die Treppen wieder hinunter. Der Stadtstrand füllt sich. Später wird ein Kampf um die Parkplätze stattfinden. Ein Heer von Kontrolleuren überwacht akribisch, dass auch jeder ein Parkticket gelöst hat. Das Problem haben Radfahrer nicht. Auf zum Cristóbal Balenciaga museoa. Das liegt an einer steilen Strasse oberhalb des Stadtstrandes. Um nicht allzu verschwitzt das Museum zu erreichen, kann sich der Radfahrer über ein System von Rolltreppen hoch schaffen lassen. Diese Bequemlichkeit sollte geheim gehalten werden.
Cristóbal Balenciaga – König der Haute Couture.
Elcano bekam zwei Statuen und ein gigantomanisches Monument, das mehr einer Festung gleicht, Cristóbal Balenciaga (* 21.01.1895, – † 23.03.1972, Xàbia) ein Museum. Wer aus Getaria stammt und weltbewegendes leistet, darf sich sicher sein, das wird gewürdigt.
Balenciaga wurde als „Gralshüter der Eleganz“*) bezeichnet. Er schuf Mode für selbstbewusste Frauen, anfangs sehr körperbetont. Die weibliche Silhouette sollte wirken. Das hiess für die Damen, die Balenciaga anlegten, harte Diät. Zu ihnen zählten Grace Kelly, Ava Gardner, Audrey Hepburn, Jackie Kennedy und das ist nur ein kleiner Auszug aus der Prominenten Liste. Wer es sich leisten konnte, finanziell wie körperlich, wollte Balenciaga.
Balenciaga brachte Farben in die Haute Couture, die dort so noch nie gesehen waren. Erdtöne aus seiner Heimat oder intensiv leuchtendes Rot oder Grün, etwas sehr spanisches. Beim Design seiner Hüte, liess er sich beispielsweise von den baskischen Fischerhüten inspirieren.
Cristóbal Balenciaga war in seiner Mode ein Grenzgänger. Er trieb seine Entwürfe an die Grenzen des technisch Machbaren seiner Zeit. Er verstand sein Handwerk, denn er begann als Schneidermeister. In Paris war zu dieser Zeit die Beherrschung des Handwerks für Couturiers ein absolutes Muss. Das war vorhanden oder musste nachgeholt werden. Als Karl Lagerfeld bei Pierre Balmain begann, absolvierte er parallel eine Schneiderlehre. Wer das Glück hatte, bei Yves Saint Laurent eine Chance zu bekommen, musste erst einmal Knopflöcher nähen.
Für Grössen der heutigen Pariser Couture Szene, gilt Balencagia als absoluter Pionier, der alles vorwegnahm, was in den 60igern und 70igern die Modewelt bestimmte. Er war seiner Zeit voraus, erfand das Sackkleid und anderes, arbeitete nur mit den feinsten und auch innovativsten Materialien. Werden im Museum die Exponate betrachtet, dann sollte der zeitliche Kontext im Kopf sein, in deren Welt sich diese Mode abspielte. Nur so ist zu begreifen, was Balencagia leistete.
Auch Museumsbesucher, die sich Balenciaga fest meinen, sollten zum Start der Museumstour den Kurzfilm im Foyer ansehen. Couturiers kommen mit interessanten Gedanken über Balenciaga zu Wort. Danach können auf zwei Stockwerken Schöpfungen des Meisters betrachtet werden. Final, soll Cristóbal Balenciaga zu Wort kommen:
„A good couturier must be an architect for design, a sculptor for shape, a painter for colour, a musician for harmony and a philosopher for temperance.“ – Cristóbal Balenciaga.
Parque Aldamar – faro, batería y naturaleza.
Menschen mit Stil werden finden, das Balenciaga Museum sollte gesehen worden sein. Google Maps Bewerter, die sich über die 12,- Euro Eintritt echauffieren, dürfte es an diesem mangeln. Neue Eindrücke müssen verarbeitet werden. Die Synapsen beginnen Querverbindungen herzustellen, ordnen ein, speichern und treiben Dinge, die wir noch nicht verstehen. Das können sie am besten in einem entspannten und reizarmen Umfeld. Also hinüber zum Mont San Anton und hinauf in den Parque Aldamar. Mont San Anton wird auch gerne „die Maus“ genannt, weil seine Silhouette einwenig daran erinnert.
Touristen, die es zum Mont San Anton zieht, interessieren sich meist nur für den Faro de San Anton und sind am Leuchtturm schwer enttäuscht, ihn nicht besteigen, geschweige denn gut fotografieren, zu können. ¡Viva España! will aber ganz hinauf, auf den Gipfel, mit dem Rad und so lässt sich der faro auch gut ablichten und mehr entdecken.
Am Hafen führt eine gesperrte Asphaltstrasse schattig zum Leuchtturm hinauf. Eine gemütliche Steigung, die entspannt nach oben getreten werden kann. Im unteren Teil eine der vielen Wasserspender, die im Baskenland gefunden werden. Trinkwasser, sehr weiches, Wasserflasche voll machen.
Der Leuchtturm ist flott erreicht. Vor ihm ein prächtiger dichter Bestand aus alten Bäumen, die Schatten spenden. Fürs knipsen des faro nicht so toll, denn das versperrt die Sicht. Noch dazu liegt der Leuchtturm einiges höher, der Weg dorthin versperrt. Für Instagram gibt das miserable Bilder. Likes sind nahezu ausgeschlossen. Gut so. Wer hier umdreht, selber Schuld. Die Strasse weiter aufwärts, dem Gipfel entgegen.
Der Asphalt endet und es geht auf einem Steig weiter. Erst gut zu fahren, wenn auch steil, dann fiese schmale Kehren. Da kommt ein Amateure Biker jedenfalls nicht mehr rum. Gelegentlich absteigen, auf jeden Fall schwitzen. Gut, dass die Wasserflasche gefüllt wurde.
Der spanienweit übliche weisse Betonzylinder, ein Messpunkt des Instituto Geográfico Nacional de España, ist erreicht und markiert den Gipfel. Schön ist das nicht, aber der Biker hat ein gutes Gefühl: Ein Gipfel, der es wert war, exakt vermessen zu werden.
Am Gipfel des Mont San Anton liegt eine historische batería. Von hier zielten Geschütze auf die Hafeneinfahrt, vor allem auf die Franzosen, mit denen es immer Ärger gab. Ein Metallschild an der batería gibt bekannt, dass von hier aus den Franzosen 1638, als vor Getaria zwischen der spanischen Armada und der französischen Marine eine Schlacht statt fand, baskische Willkommensgrüsse hinunter gefeuert wurden.
Besucher der baskischen Küste, die zwischen Juli und September diesen Ort besuchen, sollten dort oben ihr Augenmerk nicht nur auf die Aussicht sondern auch das Meer richten. Dann ziehen dort Wale vorbei.
Um den Gipfel des Mont San Anton ist es still. Ein schöner Naturpark, teils mit Bänken, schattigen Plätzen, aussichtsreichen Klippen, grasigen Plätzen, um in der Sonne zu liegen. Tobt rund 200 Meter weiter unten der Tourismus, ist es ruhig hier oben, richtig gemütlich. Ein ganzer Tag könnte dort mit einem Picknick verbracht werden.
Wieder abwärts, nicht den ursprünglichen Weg, sondern den Steig weiter. Der führt, ein Rundweg, zum Leuchtturm zurück und kann mit geöffneter Federgabel mit Tempo genommen werden. Aber Achtung, wer auf den Berg wandert, nimmt diese Route als Aufstieg. Kurz vor dem Leuchtturm eine langgezogene Treppe, gut zu fahren. Über die noch nicht drüber brettern, stopp! Ab hier können die Bilder gemacht werden, die sich jene wünschten, welche am Faro de San Anton schlapp machten. Der wurde 1863 errichtet und hat damit noch die Standardausstattung jener Zeit: Leuchtturmwärter Haus, Privatzimmer für den reisenden staatlichen Techniker, der die Anlage wartete und ein aljibe, eine Zisterne und eine Mole. Die brauchte es auf Grund des Hafens hier nicht.
Der Tag verflog. Die Sonne senkt sich. Was bleibt? Wunderbare Eindrücke, neue Erfahrungen und Wissen, eine rundere Sicht auf die Welt, das gute Gefühl, seine Lebenszeit aktiv genutzt zu haben und die Gewissheit, Spanien ist fantastisch variantenreich und lohnt, entdeckt zu werden: ¡Viva España!
Weiter Lesen.
Mit dem Mountainbike im Baskenland – der Flysch Mirador Baratzazarrak nahe Zumaia.
¡Vamos al Faro de Ajo! – ein kantabrischer Leuchtturm als Kunstobjekt.
Trailrunning Fuerteventura – Vulkan Sprint, bei Sonnenaufgang auf den Bayuyo.
Architektur Expedition Barcelona – am bicicleta zu 15 bemerkenswerten Orten.
Fuentes.
*) Menden, Alexander: Körper-Kunst; sueddeutsche.de; 2. Juni 2017.