Zumaia – unspektakulär aber sehr sympathisch.
Zumaya, die Basken schreiben Zumaia, liegt in der Provinz Guipúzcoa im Nordwesten der Region Urola Costa im autonomen Baskenland. Die Stadt mit kaum 10 tsd. Einwohner, wurde an der Mündung des Urola gegründet. Der Urola ein „río salado“, ein salziger Fluss, wie in Spanien jene genannt werden, die sich erst bei Flut richtig ausbilden. Herrscht diese, dann ist der Urola tiefgrün. Sportruderer und -paddler sind unterwegs, Fischer säumen das Ufer, denn die Gezeiten spülen schmackhafte Seefische ins Landesinnere. Bei Ebbe fällt der Urola im Landesinneren zu einem Rinnsal auf schlammigen Untergrund zusammen. Die Lage der Stadt Zumaia ist strategisch gewählt, denn sie lebte einst zentral vom Handel mit England, der Bretagne und Flandern. Historische Gebäude im Hafen sind Zeitzeugen.
Zumaya ist kein reiner Touristenort. Hauptsächlich Spanier bevölkern ihn im Sommer, um der drückenden Hitze Andalusiens oder der Extremadura zu entkommen. Gegessen wird im Ort hervorragend. In Lateinamerika gelten Köche mit baskischem Ursprung als exzellente, wenn nicht die besten ihrer Profession. Die Speisekarten sind in baskisch mit castellano im Kleingedruckten gehalten. Der Unabhängigkeitsdrang ist ungebrochen. Wer Englisch oder gar Deutsch sucht, wird enttäuscht. Ausländische Touristen passieren meist nur am „camino“ Zumaia. Durch den Ort führt die anspruchsvolle Küstenvariante des Jakobsweg nach Santiago de Compostela. Ansonsten wartet Zumaya für den Sommertouristen mit zwei Stränden auf. Dem hübschen Stadtstrand Playa de Santiago, der aber nicht so beliebt ist wie der Playa Itzurun. Dieser liegt spektakulär in einer sandigen Bucht. Die weltberühmten Flysch Klippen der Küste schützen ihn vor den atlantischen Winden. Surfer finden entlang der gesamten Küstenlinie anspruchsvolle Reef Breaks mit mächtigem Swell.
Auf dem Jakobsweg – hinauf zu den Hügeln von Zumaia.
Baratzazarrak, das ist baskisch. Eine Sprache, die mit Spanisch so gar nichts zu tun hat und auch mit keiner anderen bekannten Sprache. Es ist eine isolierte Sprache, die im Baskenland als Alltagssprache genutzt wird. Die Basken selber benennen ihre Sprache euskara. Sie scheint auch für den spanisch Sprechenden in der Wortbildung unverständlich und komplex. Der Aussichtspunkt Baratzazarrak, zu dem es gehen wird, ist dafür ein gutes Beispiel. Auf Spanisch wäre das ein mirador, auf baskisch ist das ein begiratokia.
Die Flysch Formationen an der Atlantik Küste des Baskenlandes sind weltberühmt. Geologische Expeditionen machen sich zu ihnen auf, um sie zu studieren und diese imposanten Bauwerke der Natur zu bestaunen. Wer sich für sie näher interessiert, findet unter Downloads den hervorragenden Führer, den das Gobierno Vasco herausgegeben hat. Gut zu erreichen ist dieser schöne Aussichtspunkt auf die Klippen der Küste zwischen Zumaia und Deba mit dem Mountainbike. Eine sportliche Kurztour, die mit einigen kurzen aber giftigen Anstiegen nichts für dünne Waden ist. Im letzten Drittel führt die Route über ruppige Jeepwege, die teils mit Flysch Formationen durchfurcht sind. Das macht das Balancieren steil aufwärts anspruchsvoll.
Die Tour wird am historischen Fussgängersteig über den kleinen Río Narrondo, der dort in den Urola mündet, gestartet. Über ihn führt der Jakobsweg in die Angeles Sorazu Kalea, die steil durch Zumaia aufwärts leitet. Schilder weisen den Weg. Es sollte sich nicht an der von Google Maps ausgewiesenen Küsten Route orientiert werden, denn dann werden vier historisch interessante Orte verpasst. Zur Ermita Andra María heisst es zwar das Bike eine lange Treppe hinauftragen, aber zwei Kreuze die auch den Pilgern Kraft schenken, könnten helfen, oder die folgende schöne Aussicht.
Durch die Angeles Sorazu Kalea geht es, teils sehr steil auf von Reifen glatt polierten Kopfsteinpflaster, in den historischen Kern von Zumaia.
Nach einem kurzen Stich, wird die Fuente de la Aguadora, rechter Hand liegt die Basilika San Pedro aus dem Jahre 1347, erreicht. Das Gotteshaus eine puristische Wehrkirche, wie das seinerzeit üblich war und auch so grossteils erhalten. Interessant ist aber auch die Fuente de la Aguadora. Sie ist einem der vielen Wasserträger gewidmet, die in Spanien, bevor es Wasserleitungen gab, Trinkwasser in Kanistern an die Haustüren lieferten. Ein harter Job, vor allem im Sommer. An einem einfachen Holzstab, der auf den Schultern gelagert war, wurden links und rechts die Wasserbehälter getragen. Üblicherweise wurde diese Arbeit von einem „el aguador“ geleistet, einem Mann, ganz selten von einer „la aguadora“, einer Frau. Und dieser Wasserträgerin von Zumaia, die in den steilen Gassen Wasser lieferte, wurde der Brunnen gewidmet. Ein Foto und dann geht es weiter.
Erst angenehm aufwärts, ein flacher Schlenker nach links und dann rechts steil ansteigend Richtung Ermita Andra María. Auf halber Strecke wird eine lange, unscheinbare Mauer passiert. Hier sollte kurz gestoppt werden. Es ist der Jardín del Convento*), Komentuaren Lorategia in baskisch, der Garten des Klosters, das ein Jahrhundert vor der Basilika San Pedro gegründet wurde. Der Garten ist lauschig, kein Ziergarten, ein echter Klostergarten mit allerlei Nutzpflanzen. Von ihm bietet sich ein wunderbarer Blick auf die Basilika. Den gibt es selten, denn das Gotteshaus ist dicht umdrängt von historischen Gebäuden.
An der oberen, den Jardín del Convento begrenzenden Mauer, beginnt die lange Treppe hinauf zur Ermita Andra María. Zwei verwitterte mächtige Steinkreuze zeigen, das ist der alte Pilgerweg nach Santiago de Compostela. Besitzer eines puristischen Carbon Bikes, sprinten die Treppen hinauf. Wer mit einem e-Bike unterwegs ist, hat nun einiges an Arbeit vor sich. Für ihn heisst es endlich auch einmal schwitzen.
Ist die Kirche erreicht, sollte an heissen Tagen der schattige Platz vor dem Gotteshaus für eine aussichtsreiche Rast genutzt werden. Mit der Mountainbike Tour zum Mirador Baratzazarrak kann ohnedies niemand im Bekanntenkreis beeindruckt werde, also warum nicht mal tranquilo. Nicht Kilometer, Höhenmeter und Zeit sind die Messlatte dieser Tour, sondern Naturerlebnis und Genuss.
Die Blicke von der Ermita Andra María sind aussergewöhnlich. Wenige Touristen bekommen die Aussicht auf die Ermita San Telmo und die Basilika San Pedro so zu sehen. Sie ist vornehmlich den Pilgern vorbehalten. Ab hier geht es weiter auf der von Google Maps vorgeschlagenen Küstenroute. Über guten Asphalt nun angenehm und wenig steil auf dem Jakobsweg weiter, der sich folgend mit dem GR-121 weiter oben vereint. GR-121, die grande ruta 121, eine von Spaniern gerne begangene Trekking Tour entlang der Küste. Dort vereint sich weltliche Wanderlust mit spirituellem unterwegs sein. In vielen Belangen ist dies das Gleiche, nur die Sicht auf das Leben eine andere. Und so sind die Wandersleute auch äusserlich nur durch die Jakobsmuschel am Rucksack zu unterscheiden. Auch ein Mountainbiker könnte auf Pilgerschaft sein, denn zu Fuss, am Pferd oder Fahrrad, gilt als erlaubt und führt zur begehrten Pilgerurkunde, die mittlerweile in der Hochsaison im Sekundentakt ausgestellt wird.
Entlang der GR-121 zum Flysch Mirador Baratzazarrak.
Nach der Ermita Andra María auf gutem Asphalt angenehm und wenig steil weiter. Von den ersten Feldern, auf denen Kühe grasen, bekommt der Ausflügler ein schönes Bild von Zumaia präsentiert.
Nach kurzer Strecke zieht der Weg durch schönen alten Steineichen Bestand, der angenehmen Schatten bietet. Bald wird auf einen holprigen Jeepweg abgebogen, der Untergrund wird ruppig und dann wird es so steil, dass die Auffahrt betoniert und mit tiefen Rillen versehen wurden, damit die Reifen nicht durchdrehen. Gut, dass es hier schattig ist. Hier heisst es ordentlich in die Pedalen.
Ist dieses Kriterium gemeistert, kann sich der Puls wieder normalisieren. Eine sanfte Steigung führt an einem Weingarten vorbei. Dort vereint sich der Jakobsweg mit der GR-121. Noch einen Hügel hinauf und dann eine kleine Abfahrt hinunter zu einem Parkplatz. Die Abfahrt sollte mit Vorsicht genommen werden. Hier ragen tükische Flysch Formationen aus dem Weg, gemeine Schrägrillen, die zu einem üblen Sturz führen können. Der Parkplatz genutzt von Spaziergängern, die lediglich die letzten gesperrten 500 Meter zum Mirador Baratzazarrak aus eigener Muskelkraft absolvieren wollen. Aber auch Surfer, die im Vanlife Style die Küste entlang ziehen, nutzen den Ort. Der kleine Kiesstrand unter dem Aussichtspunkt ist zwar zum Sonnen und Baden wenig interessant, aber eine gute Welle mit meist einsamen Line-up bricht dort.
Am Mirador Baratzazarrak – Wind im Haar und ein Gefühl von Freiheit.
Der Abzweig hinunter zum Mirador Baratzazarrak ist erreicht. Hier ist der Mountainbiker klar im Vorteil. Eine perfekt planierte kurvige Piste wurde durch dichten Wald stetig abwärts angelegt. In Abfahrtshaltung, krachen lassen. Neidische Blicke der Fussgänger sind garantiert.
Der Aussichtspunkt ist erreicht. Eine grosse Schautafel informiert. In der Hauptsaison ist es hier brechend voll. Ist diese vorbei und ein Wochentag, liegt Stille und Einsamkeit über dem Ort. So sollte er genossen werden, denn das wäre ihm würdig. Wind im Haar, spektakuläre Blicke auf die Flysch Klippen, weite über den Atlantik. Ein Gefühl von Sehnsucht und Freiheit kommt auf. Die muss wohl auch der Baske Juan Sebastián Elcano verspürt haben, um am 20. September 1519 in Sevilla, genauer in Sanlúcar de Barrameda, zusammen mit dem Portugiesen Fernando de Magallanes, korrekterweise Fernão de Magalhães, zur ersten Weltumsegelung aufzubrechen. Eine gewagte Reise ins Ungewisse. Auf den Philippinen angekommen, missfielen den Bewohnern die herrschaftlichen Bestrebungen des Portugiesen. Sie lösten das Problem nachhaltig. So setzte Elcano als el cápitan die Weltumsegelung fort und erreichte am 6. September 1522 wieder den Ausgangshafen Sanlúcar de Barrameda. Die Basken verehren ihren Pionier zu Recht und so ist der 6. September ein Feiertag im Baskenland. Abgesehen von dem Mut, den die Mannschaft aufbringen musste, der Leidensfähigkeit, leistete die Weltumsegelung den ersten empirischen Beweis, dass die Erde Rund ist. Die detaillierten nautischen Aufzeichnungen ergaben einen „fehlenden Tag“: Die Datumsgrenze, der Planet ist rund.
Zu Füssen des Aussichtspunktes liegt ein Kiesstrand. Für nicht Geologen und nicht Surfer ist der wenig interessant. Der Weg hinunter lohnt nicht für jeden. Wer ihn doch unter die Stollen nehmen will, eine gute Piste, perfekt für das Bike, führt kurz oberhalb des Aussichtspunktes in Serpentinen hinunter. Der Mountainbiker ist in wenigen Minuten unten und auch hinauf geht es wieder flott.
Zurück nach Zumaia über den bekannten Weg. Zwei kurze Gegenanstiege und das wars, der Rest eine feurige Abfahrt mit herrlichen Ausblicken. Aber Vorsicht, nicht die tiefen Wassergräben im Asphalt vergessen, die beim Hinauftreten passiert wurden. Wer hier mit vollem Speed eintaucht, macht einen Abgang über den Lenker. Auch die beste Federgabel hilft da nicht mehr! Endorphine haben sich mittlerweile im Blut eingenistet, die Stollen surren, der Fahrtwind pfeift um den Helm. Ein perfektes Finale einer Mountainbike Tour, um am nächsten Tag wieder den Drang zu verspüren auf das Bike steigen zu müssen. In Zumaia angekommen, Euphorie! Wars das schon? Nein nicht unbedingt: ¿Que sea un poco más? – Darf es einwenig mehr sein? Ja bitte!
¿Que sea un poco más? – Hinauf zur Ermita San Miguel und einem wunderbaren Restaurant in Artada.
Ja, auf jeden Fall, der Tag ist noch jung und Hunger kommt auf. Unweit des Ausgangspunktes der Tour, führt eine kleine Landstrasse hinauf nach Artada. Auch wenn die Sonne schon hoch steht, ist das eine gute Idee. Die Strasse führt durch schattigen Steineichen Wald. Verkehr ist auch keiner, denn Artada ist lediglich eine Ansammlung von Gehöften, die Strasse eine Sackgasse.
Bis auf den Einstieg ist der gesamte Anstieg sanft. Die Ermita San Miguel de Artada taucht auf, baskisch Artadiko San Migel. Die Kirche ohne nennenswerte Bedeutung, so auch der Klang der Glocke, die zu jeder vollen und halben Stunde schlägt. Ist der Wind günstig, lässt sich das eigenartige Geräusch, das kaum auf eine Kirchenglocke schliessen lässt, selbst in Zumaia hören.
Neben der Ermita liegt das ambitionierte Restaurante Hamarratz Jatetxea**). Es bietet ausgefallene Küche auf Basis des frischen lokalen Fangs. Zubereitet wird aromatisch über dem Holzfeuer. Das Innere des Restaurante erstaunt, denn an diesem einsamen Ort, würde es nicht vermutet: Historisches Ambiente, die Tische einem führenden Gourmet Restaurant entsprechend eingedeckt. Der verschwitzte Radfahrer mag sich hier eventuell nicht wohlfühlen, seine Tischnachbarn, so er Platz nimmt, ebenso wenig. Früh am Tag ist es aber ruhig im Lokal und wenn nicht, am Kirchplatz unter Bäumen kann auch gesessen werden und das ist vielleicht der bessere Abschluss der Tour. Resume: Spanien ist wunderbar, die reiche Kultur, seine variantenreiche Natur, das Klima, die Lebensweise, seine Menschen und natürlich das Essen, ein Land geprägt von Gegensätzen und doch ein einzigartiges Gesamtkunstwerk – ¡Viva España!
Routendetails.
Kilometer Zumaia – Flysch Mirador Baratzazarrak (ohne Strand) | + Artada: ca. 10 Km | ca. 16 Km.
Höhenmeter Zumaia – Flysch Mirador Baratzazarrakca (ohne Strand) | + Artada: ca. 300 Hm | ca. 450 Hm.
Informationen.
*) Öffnungszeiten Jardín del Convento: Täglich von 9:00 – 17:00 Uhr.
**) Öffnungszeiten Restaurante Hamarratz Jatetxea: Di – Do + So: 9:00 – 15:30 | Sa + So: 9:00 – 23:00 | Mo Ruhetag.
Alle Angaben Stand September, 2022.
Weiter lesen.
Frühling an der Costa del Garraf – Saisonstart am Mountainbike.
La Serra dels Paranys – Mountainbike Trail und Downhill.
Parque del Garraf – von Sitges mit dem Bike zum Buddhisten Kloster „Sakya Tashi Ling“.
Downloads.
THE FLYSCH ROUTE – Talaia – von Deba nach Zumaia.
Bildnachweis.
Bilder: © Dr. Ingmar Köhler.
!Al final, como siempre: no promoción!
Und wie immer: Keine Werbung, keine Promotion, keine Zuwendungen oder Abmachungen welcher Art auch immer von und mit Dritten, insbesondere auch nicht mit dem Restaurante Hamarratz Jatetxea. ¡Viva España! ist ein Leuchtturm, der aus dem Nebel des Mainstreams ragt, ein Monument der Ratio, der aus eigener Kraft und ohne Interferenzen strahlt.